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Vertragsverletzungsverfahren - Vergaberecht

Aufforderungsschreiben der EU-Kommission vom 24.01.2019 wegen Vorschriften für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

24.01.2019 - Brüssel

Vertragsverletzungsverfahren - Vergaberecht

Die Europäische Kommission hat am 24.01.2019 an insgesamt 15 Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, ein Aufforderungsschreiben hinsichtlich der Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen verschickt. Hierbei handelt es sich um die erste Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens. Gegenstand sind die Vergaberichtlinien (RL 2014/24/EU, RL 2014/25/EU und RL 2014/23/EU.), die von den Mitgliedstaaten bis zum 18. April 2016 in nationales Recht umgesetzt werden mussten.

Das Schreiben im Zusammenhang mit der Übereinstimmung ihrer nationalen Rechtsvorschriften mit den EU-Vorschriften für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen (Richtlinie 2014/24/EU, Richtlinie 2014/25/EU und Richtlinie 2014/23/EU) ging an die folgenden 15 Mitgliedstaaten: Bulgarien, Kroatien, Zypern, Tschechien, Dänemark, Finnland, Deutschland, Ungarn, Italien, Malta, die Niederlande, Polen, Rumänien, Schweden und das Vereinigte Königreich.

In dem an Deutschland gerichteten Aufforderungsschreiben wird u.a. § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV beanstandet. In diesem ist geregelt, dass bei Planungsleistungen nur der Wert für Lose gleichartiger Leistungen zusammenzurechnen ist.

Die EU-Kommission sieht hierin einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 8 RL 2014/24/EU, wonach grundsätzlich der geschätzte Gesamtwert aller Lose zusammenzurechnen ist. Eine Sonderregelung für Planungsleistungen, wie sie im deutschen Recht besteht, sei in der Richtlinie nicht vorgesehen. Die Mitgliedstaaten haben nun zwei Monate Zeit, um auf die von der Kommission vorgebrachten Beanstandungen zu reagieren. Andernfalls kann die Kommission beschließen, eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu übermitteln.

Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau wird sich in enger Zusammenarbeit mit der Bundesingenieurkammer für den Erhalt der derzeitigen Regelung einsetzen und sich diesbezüglich mit weiteren Akteuren abstimmen. Über den weiteren Verlauf werden wir berichten.

Hintergrund
Mit einem Vertragsverletzungsverfahren kann die EU-Kommission Verstöße eines Mitgliedstaates gegen das EU-Recht geltend machen. Es besteht aus drei Stufen. Wenn die Kommission vermutet, dass europäisches Recht nicht fristgemäß, unvollständig oder überhaupt nicht in nationales Recht umgesetzt wurde, sendet sie zunächst ein Aufforderungsschreiben, in dem sie einen Mitgliedstaat auffordert, innerhalb einer bestimmten Frist zu einem aufgetretenen Problem der Anwendung des Unionsrechts Stellung zu nehmen. Die zweite Stufe ist die mit Gründen versehene Stellungnahme. Hier wird der Mitgliedstaat aufgefordert, den Verstoß innerhalb einer bestimmten Frist abzustellen. Kommt der Mitgliedstaat dem nicht nach, kann die Kommission ein gerichtliches Verfahren vor dem EuGH einleiten.

Quellen: BIngK / Juris / EU-Aktuell v. 24.01.2019


Lesen Sie dazu auch:

Pressemitteilung des BDB - Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure e.V. vom 06.02.2019:

Bund Deutscher Baumeister

Die EU-Kommission hat gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren im Zusammenhang mit der Auftragswertberechnung bei Planungsleistungen eingeleitet. Sie möchte, dass die Auftragswerte für solche Leistungen künftig zusammengerechnet werden. Der BDB sieht hier einen Angriff auf die deutsche Bürostruktur mit vielen kleinen und mittelständischen Büros und somit die Existenz dieser und junger Büros bedroht!

Sollte es tatsächlich zu einer Addition aller Werte der für die Umsetzung eines Bauvorhabens erforderlichen Planungsleistungen kommen, würde dies zur Folge haben, dass selbst für kleine Vorhaben komplexe und bürokratisch aufwändige EU-weite Vergabeverfahren durchgeführt werden müssten. Der BDB sieht dadurch den Bestand der kleinen und jungen Büros in Deutschland in ihrer Existenz gefährdet, denn sie erfüllen häufig nicht die Voraussetzungen für solche Verfahren. Neben der mittelständischen Wirtschaft bereitet die Reform auch den öffentlichen Auftraggebern, vor allem kleineren Gemeinden, Sorgen. Für diese würde die Umsetzung ein größerer Aufwand, höhere Kosten und Verzögerungen bei Ausschreibungen bedeuten.

„Der BDB sieht in diesem Verfahren erneut den Versuch der EU-Kommission, den deutschen Mittelstand entscheidend zu schwächen. Dies folgt einer langen Linie eines offenbaren Vernichtungsfeldzuges, der mit dem Angriff auf die HOAI angefangen hat“, so der BDB-Präsident Hans Georg Wagner.

In Deutschland greift bislang die Regelung des § 3 Abs. 7 Satz 2 Vergabeverordnung (VgV), nach der mehrere Lose bei Planungsleistungen nur dann zusammenzurechnen sind, wenn es sich um gleichartige Leistungen handelt. Die EU-Kommission vertritt jedoch die Ansicht, dass alle Lose der Planungsleistungen eines Projektes generell zusammengerechnet werden müssen. Somit wird der vorgegebene Schwellenwert häufiger überschritten als bei der bisherigen deutschen Auslegung und eine EU-Weite Ausschreibung müsste erfolgen.

Wird der EU-Kommission Recht zugesprochen ist die Befürchtung groß, dass dies die Planerkultur Deutschlands auf den Kopf stellen könnte. Bei EU-weiten Ausschreibungen von Projekten in Deutschland müssen Planungsbüros höhere und kostenintensive Vorgaben erfüllen: Kleine und junge Planungsbüros, die noch nicht die in EU-weiten Wettbewerbskriterien vorgegebenen Referenzprojekte vorweisen können, wären bei solchen Ausschreibungen benachteiligt und hätten keine Chance mehr auf einen Zuschlag.

Quelle: Pressemitteilung BDB vom 06.02.2019

© Foto: Rawpixel / Pixabay.com; BDB

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