28.02.2019 - Brüssel
Im Klageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat Generalanwalt Szpunar am 28. Februar 2019 in seinen Schlussanträgen zum Ausdruck gebracht, dass er die Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze der Honorar- und Gebührenordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) für unvereinbar mit dem EU-Recht hält. Sollte der EuGH den Ausführungen des Generalanwalts folgen, befürchten Bundes- und Länderingenieurkammern große Nachteile vor allem für die Verbraucher.
Generalanwalt Szpunar vertritt die Meinung, dass die Regelungen zu den Mindest- und Höchstsätzen gegen höherrangiges EU-Recht verstoßen und er empfiehlt der Kammer der Klage der EU-Kommission gegen Deutschland stattzugeben. Aus seiner Sicht behindern diese in unzulässiger Weise die Niederlassungsfreiheit, weil sie Ingenieuren und Architekten und nicht die Möglichkeit gäben, sich über niedrigere Preise im Markt zu etablieren.
Es ist außerordentlich bedauerlich, dass der Generalanwalt den schlüssigen Argumenten im Verfahren gegen die Mindest- und Höchstsätze der HOAI nicht folgen wollte. Die Planerorganisationen, allen voran die Bundesingenieurkammer, die Bundesarchitektenkammer und der AHO, haben gemeinsam mit der Bundesregierung alles dafür getan, die These der EU-Kommission, die Mindest- und Höchstsätze der HOAI seien nicht mit dem EU-Recht vereinbar, zu widerlegen.
Bis zum endgültigen Abschluss des Verfahrens gilt:
Die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI sind derzeit geltendes Recht. Das laufende Gerichtsverfahren hat hierauf bis zum Abschluss keine unmittelbaren rechtlichen Auswirkungen. Alle bestehenden Verträge, einschließlich der vereinbarten Honorarsätze der HOAI, behalten wie bisher Gültigkeit.
Sollte der EuGH den Ausführungen des Generalanwalts folgen, befürchten Bundes- und Länderingenieurkammern große Nachteile vor allem für die Verbraucher, da der Wegfall eines verbindlichen Preisrechtes die Qualität am Bau gefährdet.
„Ein Wegfall des Preisrahmens, den die HOAI vorgibt, würde die Qualität beim Planen und Bauen massiv gefährden“, betonte Dipl.-Ing. Hans-Ullrich Kammeyer, der Präsident der Bundesingenieurkammer. “Jeder weiß, dass für einen zu niedrigen Preis keine hinreichende Qualität geliefert werden kann – das gilt auch für Ingenieurleistungen. Daher befürchten wir, dass nach einem Wegfall der Mindestsätze der HOAI nur noch der Preis darüber entscheidet, was bzw. wie geplant und gebaut wird. Die Qualität wäre dann zweitrangig. Wer beim Planen spart, zahlt hinterher beim Bauen drauf“, führt Dipl.-Ing. Hans-Ullrich Kammeyer ergänzend aus.
Zuvor haben die Planerorganisationen gemeinsam mit der Bundesregierung alles für den Erhalt der Mindest- und Höchstsätze der HOAI getan. Daher dankte Hans-Ullrich Kammeyer der Bundesregierung und insbesondere dem Bundeswirtschaftsministerium für ihr Engagement und sagte: „Ich hoffe sehr, dass das letzte Wort in dem Verfahren noch nicht gesprochen ist.“
Das Urteil des EuGH wird für das zweite oder dritte Quartal 2019 erwartet.
Der Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure (BDB) ist alarmiert und warnt vor den Gefahren, die Deutschland im Bauwesen drohen könnten. Eine solche Entscheidung des EuGH wäre eine Ohrfeige für den Verbraucherschutz. Billiganbietern wäre es zunehmend möglich, sich auf dem deutschen Markt zu etablieren. Somit müssten die Verbraucher sehr wahrscheinlich schlechtere Planungsleistungen in Kauf nehmen. Die gewohnt gute Bauqualität, die nicht zuletzt durch die deutschen Vergütungsregelungen der Honorarordnung sichergestellt sei, werde es dann nicht mehr geben. Wenn keine auskömmlichen Preise mehr erzielt werden könnten, drohe ein massiver Qualitätseinbruch - so die Auffassung des BDB,
„Deutschland muss verteidigen, was erhalten werden kann“, fordert der BDB-Präsident Hans Georg Wagner. Die HOAI solle den Architekten und Ingenieuren weiterhin ein auskömmliches Honorar gewährleisten und den Bauherren die Qualität ihrer Bauprojekte sichern.
Auch der Verband Beratender Ingenieure reagierte umgehend auf die Veröffentlichung. Der VBI teilt die Rechtsauffassung des Generalanwalts ebenfalls nicht. Die von deutscher Seite vorgebrachten Argumente für eine Beibehaltung der entsprechenden Regelungen in der HOAI seien schlüssig. Die Vorschriften der HOAI, insbesondere die Leistungsbilder, hätten sich als wertvolles Gerüst und Richtschnur für das Planen und Bauen in Deutschland über Jahrzehnte hinweg etabliert. Sie seien für Auftraggeber und Auftragnehmer ein verlässlicher Rahmen und eine Anleitung für das Planen und Bauen in Deutschland.
VBI-Hauptgeschäftsführer Roland Engels erklärte am 28. Februar: „Abzuwarten bleibt nun das endgültige Urteil des EuGH. Sollte das Gericht den Schlussanträgen des Generalanwalts folgen, benötigen die Planer in Deutschland zügig eine praxistaugliche, wirtschaftlich tragbare und vor allem nachhaltige Lösung. Der VBI sieht gute Chancen, im Gespräch mit der Bundesregierung, die sich ihrerseits bereits inhaltlich für die Beibehaltung verbindlicher Mindest- und Höchstsätze ausgesprochen hat, eine Vereinbarung zu finden. Diese Vereinbarung muss den Interessen unserer Mitglieder gerecht werden.“
DerAusschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e.V. (AHO betont:
"Auch wenn das letzte Wort in dem Verfahren noch nicht gesprochen ist – in einem vergleichbaren wichtigen Verfahren (C-94/04; „Cipolla“) ist der EuGH nicht dem Votum des Generalanwaltes gefolgt – müssen wir uns nun zeitnah mit den Auswirkungen eines möglichen negativen Urteils des EuGH befassen. Wichtig ist, den Planern in Deutschland eine verlässliche und handhabbare Lösung in Abstimmung mit den zuständigen Ressorts der Bundesregierung an die Hand zu geben. In Vorgesprächen wurde dazu bereits erörtert, die HOAI auch im Fall eines Unterliegens vor dem EuGH möglichst weitgehend zu erhalten. Hintergrund ist
Die Bundesregierung hat sich inhaltlich für die Beibehaltung verbindlicher Mindest- und Höchstsätze ausgesprochen. Sollten diese aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs nun nicht mit EU-Recht vereinbar sein, müsste sie in Konsequenz des Rechtsstaatsprinzips nach Art. 20 GG Verantwortung für die Kontinuität der Rechtsanwendung übernehmen und einen Weg der geringstmöglichen Abweichung von der jetzigen Rechtslage verfolgen.
Die Leistungsbilder der HOAI haben sich zudem als wertvolles Gerüst und Richtschnur für das Planen und Bauen in Deutschland über Jahrzehnte hinweg etabliert. Sie sind für Auftraggeber und Auftragnehmer ebenso wie für Bauherren, Planer und Bauausführende ein verlässlicher Rahmen und eine Anleitung für das Planen und Bauen in Deutschland. Auch bietet die HOAI Rechtssicherheit, da sich Rechtsprechung und Praxis bis ins kleinste Detail mit den einzelnen Leistungsbildern auseinandergesetzt haben. Die Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze müsste im Fall der Fälle gelockert werden. In Betracht käme – analog der Regelung bei anderen Freien Berufen – stattdessen eine Art gesetzlicher Regelrahmen, von dem durch ausdrückliche Vereinbarung abgewichen werden könnte. Diese abweichenden Vereinbarungen unterlägen jedoch einem ausdrücklichen Angemessenheitsvorbehalt mit Blick auf Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko.
Bis zum endgültigen Abschluss des Verfahrens gilt: Die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI sind derzeit geltendes Recht. Das laufende Gerichtsverfahren hat hierauf bis zum Abschluss keine unmittelbaren rechtlichen Auswirkungen. Alle bestehenden Verträge, einschließlich der vereinbarten Honorarsätze der HOAI, behalten wie bisher Gültigkeit.
Erst aufgrund eines stattgebenden Urteils im Vertragsverletzungsverfahren wäre die Bundesregierung gehalten, die Pflicht zur Beachtung verbindlicher Mindest- und Höchstsätze (§ 7 Abs. 1 HOAI) insgesamt umgehend abzuschaffen. Darüber hinausgehende Vorgaben des EuGH sind nicht zu erwarten.
Die
mittelbaren Folgen für bestehende Honorarvereinbarungen wären aus rechtlicher
Sicht begrenzt:Bei
Mindestsatzunter- oder Höchstsatzüberschreitungen könnte regelmäßig keine
Honoraranpassung mehr verlangt werden. Der Bestand HOAI-konformer
Vereinbarungen ist dagegen in aller Regel nicht gefährdet.
Ungeachtet der sich möglicherweise ändernden rechtlichen Grundlagen sollte die
Fort- und Weiterentwicklung der HOAI, gerade auch in Bezug auf die zunehmende
Digitalisierung, Gegenstand der weiteren Diskussion bleiben."
Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer (BAK), bedauert den „schweren Rückschlag“: „Die Bundesregierung hat, wie auch die europäischen Berufsorganisationen der Architekten und Ingenieure und die Interessenverbände der Bauherren in Deutschland, ausführlich dargelegt, dass über ein gesellschaftlich so hohes Gut wie die Baukultur nicht im Preis-, sondern vielmehr im Qualitätswettbewerb entschieden werden muss. Gerade die Vertreter der Bauherren, die die Europäische Kommission mit ihrem Vorgehen gegen die HOAI angeblich auch schützen will, haben damit besonders die Bedeutung der Sicherung der Planungsqualität und des Verbraucherschutzes durch Vermeidung eines ruinösen Preiswettbewerbs hervorgehoben. Wir setzen darauf, dass die europäischen Richter, deren Entscheidung nun erst ansteht, gerade vor dem Hintergrund der kürzlich verabschiedeten europäischen ,Davos Erklärung zur Baukultur‘ Vernunft walten lassen und dem Votum des Generalanwaltes nicht folgen.“
Quellen: BIngK, BDB, VBI, AHO, BAK
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