14.06.2019 - München
Den Wohnungsbau ankurbeln, aber gleichzeitig Flächenfraß und Versiegelung vermeiden? Vorstandsmitglied Dr.-Ing. Markus Hennecke schlägt in diesem Artikel vor, die Möglichkeiten der Flächennutzung weiterzudenken und öffentliche Räume besser für das urbane Leben zu nutzen. Eine Brücke dient dem Verkehr und ein Sportplatz der Freizeit. Aber warum nicht beides zusammenführen und Sportflächen unter der Brücke schaffen?
Es gib nichts zu verschwenden! Grundstücke in Städten sind ein wertvolles Gut. In fünf Jahren werden zwei Drittel der Menschheit in Ballungsräumen leben, in Deutschland sind es jetzt schon drei Viertel. Die Folgen zeigen sich bereits. Insbesondere in den großen Städten und Ballungsräumen steigen die Preise für den immer knapper werdenden Wohnraum. Die Menschen weichen ins Umland aus, der Verkehr wird dichter. Staus statt urbanem Leben.
Flächenfraß
Klar ist, der Wohnungsbau muss angekurbelt werden. Doch obwohl die Ressource Baugrund begrenzt ist, steigt die je Einwohner genutzte Wohnfläche stetig an. In Deutschland kommen auf eine Person im Schnitt 46,4 qm Wohnfläche. Dabei liegt auf der Hand, dass mehr Einwohner und gleichzeitig mehr Wohnfläche pro Einwohner unweigerlich zu Flächenfraß und Versiegelung führen. Eine Umkehr der Entwicklung ist nur möglich, wenn wir in Zukunft kompakter wohnen. Wie der Ruf des Schaffners in der vollen Tram: „Bitte Zusammenrücken“. Persönlicher Wohnraum und Umfeld werden sich beschränken müssen.
Wenn die eigenen vier Wände zu eng sind, ist der nicht-kommerzielle genutzte öffentliche Raum wichtig. Parks und andere Gemeinschaftsflächen müssen so gestaltet sein, dass sich urbanes Leben entwickelt und Menschen sich mit Freude dort aufhalten. Doch gibt es in den Städten meist zu wenige davon – und diese sind wenig ästhetisch und entsprechen oft nicht den Anforderungen der Nutzer. Hier muss dringend nachgebessert werden.
Aber, und hier schließt sich der Kreis, es fehlen die Flächen. Wir, die am Bau tätigen Ingenieure, sind aufgerufen, kreativ zu werden und uns unsere Planungen gegenseitig besser zugänglich machen. Eine Brücke dient dem Verkehr und ein Sportplatz der Freizeit. Klar. Aber warum nicht beides zusammenführen und Sportflächen unter der Brücke schaffen?
Brachflächen nutzen
Unter vielen innerstädtischen Brücken gibt es Flächen ohne Funktionen. Sie sind Brachflächen, unstrukturierte Lagerflächen, informelle Parkplätze. Flächen, auf denen sich Müll und Unrat sammelt. Viel besser würden sich Skaten, Streetsoccer, Basketball oder Tennis dort machen. Sportarten, die auf Hartplätzen funktionieren, da unter Brücken nicht genug Licht und Wasser ist, um Gras wachsen zu lassen.
Ich höre schon das „Ja, … aber“. Die Idee erzeugt Widerspruch.
Sport soll die Gesundheit fördern und in frischer Luft ausgeübt werden. Wie passt in dieses Bild eine Sportfläche unter einer stark befahrenen Straße? Eine Sportfläche, die neben der Straße liegt, hat keine bedeutend bessere Luftqualität, auch wenn die Verkehrswege optisch nicht sichtbar sind. Und der Verkehrslärm? Auch der ist unter der Brücke nicht stärker als an anderen Expositionen. Vielmehr werden sich weniger Anwohner an Lärmemissionen stören als bei Sportanlagen im Wohnbereich.
Was ist mit den Vorbehalten der Baulastträger? Wie wird der Zugang zur Brücke gewährleistet, welche Gefahren bestehen durch Vandalismus oder Verschmutzung? Die Zugänglichkeit lässt sich durch gute Gestaltung ermöglichen. Auf befestigten Flächen können die Fahrzeuge für Wartungs- und Erhaltungsmaßnahmen rangieren und aufgestellt werden. In vielen Fällen ist die Zugänglichkeit heute viel schlechter. Die Gefahr von Vandalismus und Verschmutzung wird geringer, da die Flächen belebt werden.
Lösungen andenken und interdisziplinär arbeiten
Ohne Frage, die Anlagen müssen gewartet werden und das kostet Geld. Aber die Kommunen müssen Geld in die Hand nehmen, denn der öffentliche Raum ist ein wesentliches Element der Daseinsvorsorge.
Und wir Planer? Wir müssen über unsere eingefahrenen Wege nachdenken. Lösungen andenken, die über die eigentliche Aufgabenstellung (z.B. der Bau einer Brücke) hinausgehen. Interdisziplinär arbeiten und potentielle Nutzer einbinden. Für diese Aufgaben braucht es Planer, die regional eingebunden sind, die die Örtlichkeiten kennen und die die Nutzer einbinden können. In der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau sind diese Planer zu finden.
Kolumne von Dr.-Ing. Markus Hennecke, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, veröffentlicht in der Bayerischen Staatszeitung vom 14.06.2019.
Kolumne in der Bayerischen Staatszeitung
Die Bayerische Ingenieurekammer veröffentlicht einmal im Monat eine Kolumne zu aktuellen Themen in der Bayerischen Staatszeitung. Hier nehmen die Mitglieder des Vorstands der Kammer Stellung zu Themen aus Bauwesen, Politik und Gesellschaft.
Hier haben wir Ihnen alle Kolumnen zum Lesen oder als Download bereitgestellt.
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