21.08.2019 - Berlin
Das Bundesministerium des Innern, für Bauen und Heimat hat am 5. August 2019 einen Erlass zur Anwendung der HOAI nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) veröffentlicht. Darin stellt das Bundesministerium klar, dass bei Verträgen, die vor der Urteilsverkündung geschlossen wurden, weiterhin von der Wirksamkeit auszugehen ist – „auch soweit bei der Vergabe und dem Vertragsschluss von der verbindlichen Geltung der Mindest- und Höchstsätze ausgegangen wurde.“
Für die Übergangszeit bis zum Abschluss des Rechtsetzungsverfahrens zur Anpassung der HOAI hat das Bundesinnenministerium (BMI) einen Anwendungserlass sowie Hinweise zum Vertrag Objektplanung - Gebäude und Innenräume für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes (RBBau) veröffentlicht.
Darin wird klargestellt, dass bei Verträgen der Öffentlichen Hand mit Architekten oder Ingenieuren, die vor Urteilsverkündung geschlossen wurden, diese weiterhin wirksam sind, auch wenn bei der Vergabe und dem Vertragsschluss von der verbindlichen Geltung der Mindest- und Höchsthonorarsätze der HOAI ausgegangen wurde.
In den Hinweisen des Bundesministeriums des Inneren, für Bauen und Heimat zum Vertrag Objektplanung - Gebäude und Innenräume zu § 10 wurde im Hinblick auf die Honorierung folgende Übergangsregelung getroffen:
Mit Schreiben vom 21. August 2019 weist das Bayerische Staatsministerium
für Wohnen, Bau und Verkehr außerdem darauf hin, dass die Überarbeitung der vertraglichen Unterlagen (Vertragsmuster) im Vergabehandbuch für freiberuflich Tätige
(VHF) notwendig sei, um eine einheitliche Vorgehensweise für die Umsetzung aller Hochbaumaßnahmen
sicherzustellen. Dies werde kurzfristig erfolgen.
Bis dahin sind die derzeit im VHF vorhandenen Vertragsmuster (Stand Juli 2019), die bereits weitgehend die Anpassungen der Vertragsmuster für freiberufliche Tätige der RBBau beinhalten, zu verwenden. Die im Juli neu überarbeiteten Formblätter zur Vergabe können zukünftig weiterhin verwendet werden. Anpassungen sind hier nicht mehr notwendig.
Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 21. August 2019
Erlass des BMI vom 05.08.2019 zur Anwendung der HOAI
Vertragsmuster Objektplanung – Gebäude und Innenräume (VM 2/1)
Hinweise zum Vertragsmuster Objektplanung – Gebäude und Innenräume (VM 2/0)
Bezug:Erlass des BMUB vom 24.02.2015, AZ: Bl1-81011.4/0 Erlass des BMUB vom 30.05.2016, Az.: Bl1-81011.4/0 Erlass des BMI vom 31.05.2018, Az.: Bl1 - 81011.1/0
I.
Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 4. Juli 2019 (Rechtssache C-377/17) festgestellt, dass die verbindlichen Mindest- und Höchsthonorarsätze der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) in der Fassung vom 10. Juli 2013 nicht mit der Verpflichtung aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt vereinbar sind.
In der Folge müssen nach Art. 260 Abs. 1 AEUV durch Deutschland die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um den festgestellten Verstoß gegen Unionsrecht zu beenden. Die Umsetzung der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs in nationales Recht obliegt dabei dem für die HOAI als Verordnung der Bundesregierung federführenden Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Dieses wird dazu das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, weitere Bundesressorts, die Bundesländer und die kommunalen Spitzenverbände sowie die Berufsverbände und die berufsständischen Kammern konsultieren, um im Anschluss einen Vorschlag zur Novellierung der HOAI vorzubereiten. Hieran wird sich ein Rechtssetzungsverfahren anschließen.
Bereits vor Anpassung der HOAI sind jedoch unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, ein unionsrechtskonformes Verwaltungshandeln sicherzustellen. Hier ist zu berücksichtigen, dass das Urteil sich allein auf verbindliche Mindest- und Höchsthonorarsätze bezieht und nicht etwa die HOAI insgesamt als europarechtswidrig bewertet.
Für die Übergangszeit bis zum Abschluss des Rechtssetzungsverfahrens sind die nachstehenden Hinweise zu beachten, um eine unionsrechtskonforme Anwendung der HOAI sicherzustellen. In diesem Zusammenhang sind übergangsweise auch notwendige Anpassungen in den Vertragsmustern für freiberuflich Tätige in den Richtlinien für die Durchführung für die Bauaufgaben des Bundes (RBBau) vorzunehmen.
II.
Bestehende Verträge
Vorbehaltlich der jeweiligen Einzelfallprüfung sind Verträge der öffentlichen Hand mit Architekten oder Ingenieuren, die vor der Urteilsverkündung geschlossen wurden, weiterhin als wirksam anzusehen, auch soweit bei der Vergabe und dem Vertragsschluss von der verbindlichen Geltung der Mindest- und Höchsthonorarsätze der HOAI ausgegangen wurde.
Da Mindest- und Höchsthonorarsätze gemäß der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs durch das nationale Recht der HOAI nicht mehr verbindlich vorgegeben werden dürfen, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Anpassung an diese Honorarsätze. Gleiches gilt für Verlangen nach einer Anpassung des Honorars an den Mindestsatz der HOAI im Rahmen von Stufenverträgen bei Abruf einer weiteren Leistungsstufe.
Vergaben und Vertragsschluss
Bei der Vergabe von Planungsleistungen im Anwendungsbereich der HOAI dürfen in Folge der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs Angebote nicht aus dem Grund ausgeschlossen werden, dass sie Mindesthonorarsätze unterschreiten oder Höchsthonorarsätze überschreiten. Die in der HOAI enthaltene Honorarberechnungssystematik kann jedoch auch weiterhin zum Gegenstand einer individualvertraglichen Vereinbarung über die Honorarberechnung gemacht werden. Die angepassten Vertragsmuster für freiberuflich Tätige der RBBau beziehen sich deshalb weiterhin auf diese Systematik, sehen jedoch frei bestimmbare Zu- und Abschläge in prozentualer Form vor.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu HOAI trifft keine Aussage zu der Frage, ob und zu welchem Anteil nach vergaberechtlichen Kriterien der angebotene Preis in die Zuschlagsentscheidung einzufließen hat. Der Wegfall von verbindlichen Mindest- und Höchsthonoraren erfordert, dass die Formulierung der Zuschlagskriterien auf die qualitativen Anforderungen an die Leistung abzustimmen ist. Dabei ist weiterhin insbesondere der Abschnitt 6 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) zu beachten, der ausdrücklich den Leistungswettbewerb als gesetzliches Leitbild vorsieht (§ 76 Abs. 1 S. 1 VgV).
Im Übrigen gelten die gleichen Anforderungen an das Vergabeverfahren, die an andere Dienstleistungen gestellt werden, welche keinem zwingenden Preisrecht unterworfen sind. Nach diesen allgemeinen Regeln ist bei Verdacht auf ein „ungewöhnlich niedriges Angebot" gemäß § 60 VgV zu verfahren.
III.
Das beigefügte Vertragsmuster (VM2/1 „Vertrag Objektplanung - Gebäude und Innenräume") nebst Hinweisen (VM2/0) und „Anlage zu § 10 - vorläufige Honorarermittlung zum Vertrag Objektplanung Gebäude und Innenräume" (Stand:1. August 2019) ersetzt das bisherige Vertragsmuster (Stand: 31.05.2018) und ist ab sofort anzuwenden.
IV.
Die Erlasse des BMUB (B 1 1 - 81011.4/0 vom 24.02.2015 und 30.05.2016) werden aufgehoben. Diese hatten die Anpassung von Honoraransprüchen nach Inkrafttreten einer Neufassung der HOAI während der Vertragslaufzeit zum Gegenstand. Mit dem Wegfall des verbindlichen Charakters der Preisvorgaben entfällt der diesbezügliche Regelungsbedarf.
V.
Die Änderungen werden kurzfristig auch in den übrigen Vertragsmustern der Objekt- und Fachplanungen, VM 3,4 und 6-8 RBBau übernommen. Bis die Änderungen nachvollzogen sind, bitte ich diese bei aktuellen Vertragsabschlüssen entsprechend zu berücksichtigen. Die überarbeiteten Vertragsmuster nebst Anlagen werden dann auch über die Fachinformationsbörse (www.fachinfoboerse.de) abrufbar sein.
Am 04. Juli 2019 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit seinem Urteil im Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland die Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze der Honorar- und Gebührenordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) gekippt.
In seinem Urteil betonte der EuGH, „dass die Existenz von Mindestsätzen für die Planungsleistungen im Hinblick auf die Beschaffenheit des deutschen Marktes grundsätzlich dazu beitragen kann, eine hohe Qualität der Planungsleistungen zu gewährleisten, und folglich dazu, die von der Bundesrepublik Deutschland angestrebten Ziele zu erreichen.“ Insofern waren die von der Bundesingenieurkammer gemeinsam mit der Bundesarchitektenkammer und dem AHO beigebrachten Gutachten und Studien nicht vergebens. Die Bundesingenieurkammer hatte sich im Vorfeld gemeinsam mit der Bundesarchitektenkammer und dem AHO in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dafür eingesetzt, die These der EU-Kommission zu widerlegen, dass die Mindest- und Höchstsätze der HOAI nicht mit dem EU-Recht vereinbar seien.
Dennoch kam der EuGH schlussendlich nicht zu dem erhofften positiven Urteil. Denn er sieht im deutschen Regelungswerk insgesamt eine Inkohärenz. Der Umstand, dass in Deutschland Planungsleistungen auch von Dienstleistern erbracht werden können, die ihre entsprechende fachliche Eignung nicht nachgewiesen haben, passt nicht zu dem mit den Mindestsätzen verfolgten Ziel, eine hohe Qualität der Planungsleistungen zu erhalten. Im Umkehrschluss könnte das heißen, wären Planungsleistungen ausschließlich Architektinnen und Architekten sowie Ingenieurinnen und Ingenieuren vorbehalten, die ja aufgrund ihrer Ausbildung für eine „Grundqualität“ bürgen, hätte der EuGH vielleicht anders entschieden.
Diese Überlegungen hat die Bundesingenieurkammer aufgegriffen und bereits erste Gespräche mit den zuständigen Ministerien geführt.
Quellen: BMI, BIngK, AHO
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