20.09.2019 - München
Die Abschaffung der Mindestsätze der HOAI durch das Urteil des EuGH vom 4. Juli 2019 zeigt dramatische Auswirkungen - gerade im Unterschwellenbereich. Und auch das angekündigte Vertragsverletzungsverfahren gegen §3 Absatz 7 VgV (Schwellenwertberechnung bei Planungsleistungen) zeigt bereits Wirkung. Diese Entwicklungen drohen zum Brandbeschleuniger für den Strukturwandel bei den planenden Berufen zu werden, warnt Dr.-Ing. Werner Weigl, 2. Vizepräsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau.
Die
Abschaffung der Mindestsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI)
durch das Urteil des EuGH vom 4. Juli 2019 hat insbesondere im
Unterschwellenbereich sofort dramatische Auswirkungen gezeigt. Konnten von
öffentlichen Auftraggebern bislang Vergabeerleichterungen mit Hinweis auf die
Mindestsätze der HOAI in Anspruch genommen werden, so führt deren Wegfall jetzt
dazu, dass für jegliche Planungsleistungen je nach geltendem Haushaltsrecht
meist mehrere Angebote eingeholt werden müssen.
Damit setzt gerade in dem Bereich, der insbesondere kleinen, regionalen Büros ein Auskommen bot, bereits jetzt eine Vergabe rein nach Preis und damit ein letztendlich ruinöser Preiskampf ein. Und das trotz aktueller Hochkonjunktur. Wo das erst bei einer sicher wiederkehrenden Flaute hinführt, lässt sich leicht ausmalen.
Ein Zweites kommt hinzu: mit Blick auf das angekündigte Vertragsverletzungsverfahren gegen §3 Absatz 7 VgV (Schwellenwertberechnung bei Planungsleistungen), schreiben Auftraggeber in vorauseilendem Gehorsam Planungsleistungen weit unter dem Schwellenwert europaweit im Verhandlungsverfahren aus. Dabei entstehen für Auftraggeber und Auftragnehmer oftmals Aufwendungen, die weit über 20 % des Wertes der zu vergebenden Leistungen ausmachen.
Auch diese Aufträge sind dann vielfach für die kleineren Büros nicht mehr erreichbar, da ihnen die Instrumente zur erfolgreichen Bewältigung der Verfahren im Vergleich zu großen Playern nicht zur Verfügung stehen.
Auf Auftraggeberseite werden bereits jetzt Einzelvergaben zur Reduktion der Verfahren und Verfahrenskosten vermehrt zu Generalplanerleistungen zusammengefasst – auch das bedeutet meist das Aus für die Kleinen. Diese Entwicklungen drohen zum Brandbeschleuniger für den Strukturwandel bei den planenden Berufen zu werden.
Doch nicht nur die Initiativen aus Brüssel sind problematisch. Auch Verfahren vor deutschen Gerichten und Vergabekammern und die entsprechenden Kommentierungen tragen nicht unbedingt zur Vereinfachung von Vergabeverfahren bei.
Die in den Entscheidungen festzustellende, immer formalistischere Betrachtung des Vergabeprozesses schränkt nicht nur in zunehmendem Maße die Entscheidungsfreiheit des Auftraggebers ein, sondern steigert auf Bieterseite weiter den Aufwand bei der Verfahrensabwicklung. Ob dieser zur Objektivierung der Vergabeentscheidung beiträgt, ist fraglich.
Ein Beispiel: in letzter Zeit wird in vielen Vergabeverfahren mit Hinweis auf entsprechende Entscheidungen bereits mit der Angebotsabgabe die schriftliche, nicht mehr veränderbare Abgabe der Präsentationsunterlagen im Verhandlungsverfahren gefordert, um eine ordnungsgemäße Angebotsabgabe sicher zu stellen.
Mein Verständnis von Verhandlung ist anders: Präsentation und persönlicher Eindruck im Verhandlungsgespräch sind untrennbar verbunden, Beratende/r Ingenieur/in oder Architekt/in und nicht die Präsentationsunterlagen stellen die Qualität der Planung sicher. Beides ist gleichzeitig als Einheit zu beurteilen – sonst könnte man ja gleich nach dem „Präsentationsprospekt“ werten. Womit die Unternehmen mit eigener Marketingabteilung erneut bevorteilt wären.
Auch und gerade vorab eingereichte Präsentationsunterlagen können den vorbefassten Entscheider schon vor dem Verhandlungsgespräch beeinflussen.
Was
ist zu tun? Auftraggeber und Auftragnehmer sind mit HOAI und schlanken
Vergabeverfahren bislang gut gefahren, für „Kleine“ und „Große“ gab es die
passenden Aufgaben, Partner und Lösungen. Das muss auch weiter so bleiben, wenn
diese Strukturen erhalten bleiben sollen.
Es liegt an allen, mit den per se nicht schlechten Randbedingungen maßvoll umzugehen – sonst bewertet am Schluss der Bürgermeister einer kleinen Gemeinde bei seinem Kindergartenneubau zuerst das Marketingteam des Planers, verhandelt den Vertrag mit dessen Rechtsabteilung und streitet sich nachher mit dem Claimmanager - hat aber während der gesamten Maßnahme keinen persönlich Verantwortlichen vor Ort!
Kolumne in der Bayerischen Staatszeitung
Die Bayerische Ingenieurekammer veröffentlicht einmal im Monat eine Kolumne zu aktuellen Themen in der Bayerischen Staatszeitung. Hier nehmen die Mitglieder des Vorstands der Kammer Stellung zu Themen aus Bauwesen, Politik und Gesellschaft.
Hier haben wir Ihnen alle Kolumnen zum Lesen oder als Download bereitgestellt.
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