23.03.2020 - München
Was passiert, wenn einzelne Mitarbeiter oder das ganze Büro unter Quarantäne gestellt werden? Was gilt, wenn ein Besuch der Baustelle wegen behördlicher Auflagen nicht möglich ist? Dr. Andreas Ebert, Justiziar der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, beschäftigt sich in diesem Beitrag mit den rechtlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Erfüllung von Werkverträgen.
Prinzipiell obliegt es dem Auftragnehmer eines Werkvertrags, sich um die Organisation für die Vertragserfüllung zu kümmern. Daher kann er sich regelmäßig nicht damit entlasten, Vertragsfristen wegen Erkrankung des eigenen Personals nicht einhalten zu können. Dabei handelt es sich um Umstände, die in die Verantwortungssphäre des Auftragnehmers fallen.
Steht ein Mitarbeiter deshalb nicht zur
Verfügung, weil er sich aufgrund behördlicher Anordnung in Quarantäne befindet,
gilt an sich dasselbe. Das Büro muss sich wie bei einer Erkrankung darum
bemühen, den Vertrag anderweitig zu erfüllen, sei es durch befristet
eingestelltes zusätzliches Personal oder durch Beauftragung von
Nachunternehmern, solange es dazu noch (theoretische) Optionen gibt.
Allerdings beginnt bei der behördlich verfügten Quarantäne eines Projektmitarbeiters bereits die Grenze zu der Frage, ob schon die Ebene der sog. „höheren Gewalt“ erreicht ist. Als von außen auf das Büro einwirkendes objektiv unabwendbares Ereignis kann eine behördliche Verfügung nicht per se betrachtet werden, vielmehr müsste wohl auch diese auf Umständen beruhen, die nicht kausal mit dem Auftragnehmer selbst zusammenhängen (so wäre etwa die Betriebsschließung eines Lebensmittelproduzenten infolge bakterieller Verseuchung der Produktionsstätten schwerlich als höhere Gewalt einzuordnen).
Es ist aber noch vollkommen ungeklärt,
ob der Ausfall eines persönlich unter Quarantäne gestellten Mitarbeiters schon
als höhere Gewalt einzustufen ist, wenn der Betrieb im Übrigen keinerlei
Einschränkungen unterliegt, oder ob ein solcher Ausfall wie eine Erkrankung zu
behandeln ist, für die der Auftragnehmer als Arbeitgeber auch nichts kann und
die ihn dennoch nicht von seiner Leistungspflicht befreit.
Würde hingegen der gesamte Betrieb
stillgelegt, weil alle dort tätigen Personen (Mitarbeiter und Vorgesetzte)
unter Quarantäne stehen, um die weitere Ausbreitung der Epidemie zu stoppen,
liegt die Annahme höherer Gewalt schon näher. Wird dem Auftragnehmer die
fristgerechte Vertragserfüllung infolge höherer Gewalt unmöglich, wird er nach
§ 275 Abs. 1 BGB leistungsfrei. Weil ihm gleichzeitig aber deshalb keine
Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, entfallen Schadensersatzansprüche des
Auftraggebers. Dafür entfällt auch der Anspruch des Auftragnehmers auf die
Gegenleistung, also auf die Vergütung.
Bei Bauvorhaben dürfte dies so allerdings nicht gelten: Denn streng betrachtet wird die Leistung ja nur zu einem vertraglich bestimmten Zeitpunkt unmöglich, man spricht deshalb von der „vorübergehenden Unmöglichkeit“, welche ebenfalls unter § 275 Abs. 1 BGB fällt. Nach Beendigung des Leistungshindernisses lebt die Leistungspflicht demzufolge wieder auf. Damit bleiben aber auch die Vergütungsansprüche bestehen. Schadensersatzansprüchen des Auftraggebers wiederum steht dann der Einwand höherer Gewalt entgegen. Eine dauernde Unmöglichkeit wäre aber z.B. anzunehmen, wenn sich der Vertrag auf ein Objekt bezieht, dessen Errichtung nur zu einem bestimmten Zeitpunkt den Vertragszweck erfüllt, z.B. der Bau eines Ausstellungspavillons.
Sind die Büromitarbeiter selbst nicht
unter Quarantäne gestellt und ist der Auftragnehmer somit leistungsbereit, darf
aber aufgrund behördlicher oder gesetzlicher Regelungen die Baustelle nicht
aufsuchen, fehlt es schon im Ansatz an einem Fehlverhalten des Büros, vielmehr
handelt es sich um den sog. Annahmeverzug des Auftraggebers. Denn dieser nimmt
– aus wiederum von ihm infolge höherer Gewalt nicht zu vertretenden Gründen –
die Leistung des Büros nicht entgegen. Das betrifft Jour-Fixe ebenso wie die
Bauüberwachung selbst.
Die praktischen Auswirkungen sind allerdings gering und betreffen bei Ingenieurleistungen vor allem die Abwendung des eigenen Verzugs. Insofern mag dahinstehen, ob die derzeit bestehenden Ausgangs- und Kontaktsperren auch den Annahmeverzug ausschließen, und dann wieder der Fall der oben beschriebenen vorübergehenden Unmöglichkeit vorliegt, womit im Ergebnis die gegenseitigen Vertragspflichten nur suspendiert sind.
Im Detail müssen derzeit aber noch zahlreiche Fragen zu den Rechtsauswirkungen der Corona-Pandemie auf die Werkvertragserfüllung unbeantwortet bleiben, zumal im Einzelfall in erster Linie zu prüfen ist, welche Aussagen ggf. der Vertrag selbst schon trifft.
Dr. Andreas Ebert
Justiziar der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau
© Foto: Tobias Hase
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