27.03.2020 - Celle
Der Chef des Instituts für Weltwirtschaft Gabriel Felbermayr nannte die bevorstehende Krise die „Mutter aller Rezessionen“. Wenn sich die Wirtschaftstätigkeit in Deutschland nur einen Monat lang halbiert, kostet das auf das Jahr gesehen vier Prozent Wirtschaftswachstum. Dennoch konnten die Institute auf der Grundlage ihrer Modelle in der Frühjahrsprognose (Mitte März) das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von gut einem Prozent rechnerisch nur auf knapp unter null Prozent absenken. Eine Woche später wird nun ein Einbruch des BIP zwischen -4,5 % und -8,7 % erwartet.
Das Marktforschungsunternehmen Heinze GmbH hat bereits nach der Prognose der Institute von Mitte März ein eigenes Szenario entworfen. Als Grundlage diente die Entwicklung des BIP in der Finanzkrise (-5,6 %), dem „Vater“ aller neuzeitlichen Krisen. Allerdings unterscheidet sich die Entwicklung der Sektoren erheblich. In beiden Krisen treten die größten Verluste im Außenhandel auf. Im Gegensatz zur Finanzkrise wird es aber aktuell auch zu erheblichen Einbußen im privaten Verbrauch und bei den Investitionen kommen, während die Staatsausgaben dramatisch ansteigen. Baugenehmigungen sind keine Aktienkurse und so wird die Bauwirtschaft im Vergleich zu anderen Sektoren mit einem dunkelblauen Auge davonkommen. Real gesehen sind die Auswirkungen vor allem im Bauprozess deutlich schmerzhafter als in der Finanzkrise.
Bauchgefühl oder Faktenanalyse?
Die Meinung der Bauschaffenden ist eine wichtige Information über die aktuelle Stimmungslage. Eine Prognose ist sie nicht. Waren im letzten Herbst viele noch der Meinung, dass der Mehrfamilienhausbau weiter einbricht, so stiegen die Genehmigungen im lV. Quartal 2019 um +29 % über die Vorjahreswerte. Aber wie geht es auf der Grundlage der neuen Rahmendaten weiter? Derzeit überschlagen sich die Katastrophenmeldungen – je schlimmer desto richtiger und ein paar Zahlen sind schnell ins Schaufenster gestellt. Nur eine breit angelegte Analyse aller Einflussfaktoren, die deren Zusammenhänge erklärt und darauf Vorhersagen aufbaut, führt zu einem nützlichen Gesamtbild der Lage.
Am Beginn des aktuellen Baumarktberichtes der Heinze Marktforschung steht eine Analyse der volkswirtschaftlichen Entwicklungen. Zudem werden die möglichen Verläufe der Corona-Krise aufgezeigt. Letztlich aber entscheiden sich die Marktforscher für die – ihrer Einschätzung nach – wahrscheinlichste Entwicklung und geben für die Einschätzung des Bauvolumens verschiedene Szenarien vor.
Nichtwohnbau deutlich stärker getroffen als Wohnungsbau
Der Nichtwohnbau werde deutlich stärker getroffen als der Wohnungsbau. Danach werden die Genehmigungen im Eigenheimbau mit einer Delle davonkommen. Der Mehrfamilienhausbau hätte unter normalen Umständen im Jahr 2020 um mehr als zehn Prozentpunkte zugelegt, wie die zweistelligen Zuwächse der Genehmigungen zum Jahreswechsel zeigen. Diese werden jedoch zur Mitte des Jahres deutlich einbrechen und sich dann in der zweiten Jahreshälfte wieder erholen. In der Summe wird es bei einer Stabilisierung bleiben. Der Aufschwung des Mehrfamilienhausbaus bleibt im Grunde intakt, denn es fehlt nicht an Nachfrage. Der Förderrahmen ist geklärt und wird von den Akteuren angenommen und bessere Anlagemöglichkeiten sind derzeit Mangelware. Aber die bremsenden Effekte im Genehmigungs- und Bauprozess werden die Gebäudeart trotzdem treffen. Das lässt aber insgesamt auf eine Fortsetzung des Aufschwungs im Jahr 2021 hoffen.
Im
Nichtwohnbau seien die Verhältnisse anders. Wer davon ausgehe, dass die
Corona-Krise den Abschwung im Nichtwohnbau verursacht, habe die Dynamik des
Nichtwohnbaus nicht berücksichtigt. Heinze habe bereits in seiner
Mittelfristprognose im Herbst 2019 vorausgesagt, dass der Nichtwohnbau in den
Jahren 2020 und 2021 vor einem zyklischen Abschwung steht, der bereits im Jahr
2019 einsetzt und erst 2022 auslaufen wird. Die Frage sei somit, wie die
Corona-Krise diese Entwicklung verstärkt und verzerrt. Am stärksten soll es die
wohnähnlichen Betriebsgebäude treffen, die in den letzten fünf Jahren
durchschnittlich um zehn Prozent zugelegt haben und mit der Fallhöhe nun ein
Problem haben. Der landwirtschaftliche Bau komme mit den geringsten Blessuren
davon, weil er schon im Keller war und die Nahrungsmittelindustrie noch am
wenigsten von den Quarantänen betroffen sei.
Eine Karre Sand im Getriebe
Vor allem im Bauprozess und damit in den Fertigstellungen seien die Folgen noch spürbarer. Im Wohnungsbau gehen alle Hoffnungen auf einen Aufschwung im Jahr 2020 verloren. Im Mehrfamilienhausbau sei ab 2021 mit Zuwächsen zu rechnen. In absoluten Wohneinheiten gerechnet, werde das Fertigstellungsvolumen aber auch 2021 deutlich unter den Werten liegen, die ohne die Corona-Krise möglich gewesen wären. Im Wohnungsbau sei ein gewisses Beharrungsvermögen der Genehmigungen zu erkennen. Ein Eigenheimbauer, der sich einmal entschieden habe zu bauen, werde es auch möglichst zu Ende bringen wollen. Im Nichtwohnbau wären die Entscheider eher gezwungen, schnell den Rotstift anzusetzen. So schmelze der gut angereicherte Bauüberhang in der Sonne Coronas wie Schnee dahin.
Fast jede Krise erscheint in der Vorschau größer als in der Rückschau. Ob es auch in dieser Krise so sein wird, hat sich zumindest im bisherigen Verlauf nicht bestätigt. Die Heinze Marktforscher gehen davon aus, dass die „Mutter aller Rezessionen“ noch negative, aber auch positive Überraschungen für den Bau bringen könne.
Quelle: HeinzeMarktforschung / Heinze GmbH, © Foto: SZ-Designs / Adobe Stock
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