07.05.2020 - München
62 Ingenieurinnen und Ingenieure haben bereits das Traineeprogramm der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau durchlaufen, das es seit Oktober 2015 gibt. Weitere 20 Berufseinsteiger sind gerade mittendrin und werden Ende Juli 2020 diese bundesweit einzigartige, berufsbegleitende Weiterbildung beendet haben. Drei ehemalige Trainees erzählen darüber, wie sie das im Traineeprogramm erworbene Wissen bereits seit einiger Zeit in der Praxis einsetzen. Und ob sich ihre Erwartungen erfüllt haben.
Andreas Koller, 38 Jahre, Teilnehmer im ersten Jahrgang gemeinsam mit einem Kollegen, Prokurist bei BBI Ingenieure GmbH, Landshut, Bauingenieur seit 2008
Franziska Maier, 30 Jahre, Teilnehmerin im zweiten Jahrgang, Projektingenieurin bei WTM Engineers, München, Bauingenieurin seit 2015
Michael Frey, 31 Jahre, Teilnehmer im zweiten Jahrgang, Projektleiter und BIM-Koordinator bei Konstruktionsgruppe Bauen AG, Kempten, Bauingenieur seit 2016
Herr Koller,
Sie gehören zu den Pionieren des Traineeprogramms. Zusammen mit 18 weiteren
jungen Bauingenieuren haben Sie von Oktober 2015 bis Juli 2016 am allerersten
Traineeprogramm der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau teilgenommen. Wie kam es
dazu?
Koller: Ich habe zufällig über einen Artikel der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau erfahren, dass ein Traineeprogramm geplant ist. Die Themen und Inhalte klangen interessant und weil bei mir ohnehin der Wunsch nach einer beruflichen Weiterentwicklung da war, kam das sozusagen zur passenden Zeit. Kurz darauf hatte ich einen Termin mit unserem Geschäftsführer, in dem ich ihn darauf angesprochen habe.
Wie hat er
reagiert?
Koller: Er fand die Initiative gut und hat mir und einem Kollegen dann auch die Teilnahme ermöglicht.
Mussten Sie
Überzeugungsarbeit leisten?
Koller: Klar. Zumal
wir ja am allerersten Jahrgang teilgenommen haben. Es gab also niemanden, den
man fragen konnte, ob denn die Erwartungen der Trainees und deren Chefs erfüllt
wurden. Und die knapp 9.000 Euro, die die Teilnahme pro Person kostet, sind
natürlich auch eine Hausnummer. Das entscheidet man nicht über Nacht, zumal es
auch ein beträchtlicher persönlicher Aufwand ist. Aber sowohl mein Chef als
auch ich waren mit der Entscheidung am Ende sehr zufrieden. Ich kann den jungen
Kollegen nur sagen: Wenn Ihr es machen könnt, dann tut es!
Frau Maier, Herr Frey, wie waren Ihre Erfahrungen?
Maier: Ich war damals auf der Suche nach einem Traineeship und hatte auch einen Arbeitgeber im Auge, der etwas Ähnliches hausintern anbietet. Zum Zeitpunkt meiner Initiativbewerbung damals gab es dort allerdings keine freien Traineestellen. Als ich dann bei meinem aktuellen Arbeitgeber andockte, habe ich mit ihm über das Traineeprogramm der Kammer gesprochen. Ich war die zweite Mitarbeiterin bei uns, die teilnehmen durfte. Es gab also schon positive Vorerfahrungen.
Frey: Ich wurde von meinem Chef gefragt, ob ich teilnehmen will. Er hatte schon zwei meiner Kollegen in den ersten Jahrgang geschickt und war vom Nutzen des Traineeprogramms überzeugt. Ich selbst hatte anfangs etwas Bedenken. Ich war erst anderthalb Jahre im Beruf und dachte, es wäre vielleicht noch zu früh.
Waren die
Sorgen begründet?
Frey: Nein, im Nachhinein würde ich sagen, es war genau die richtige Entscheidung.
Herr Koller,
Sie brachten schon sieben Jahre Berufserfahrung mit, als Sie teilgenommen
haben. Hat es sich trotzdem gelohnt?
Koller: Ich kann natürlich nicht sagen, ob der Nutzen höher gewesen wäre, wenn ich damals noch Berufseinsteiger gewesen wäre. Wenn man frisch von der Uni kommt, ganz ohne Berufspraxis, ist es meiner Meinung nach noch zu früh. Ich persönlich finde, dass es gut ist, wenn man schon etwas Erfahrung mitbringt. Denn dann kann man besser einen Bezug zu eigenen, konkreten Projekten herstellen und gezielt nachfragen.
Was ist vier bzw. fünf Jahre nach der Teilnahme geblieben?
Frey: Was ich durchweg super fand, war der Einblick in die ganz unterschiedlichen Bereiche. Wir haben gelernt, die Projektkollegen und die Gesamtzusammenhänge besser zu verstehen. Es verbessert die Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen.
Koller: Der Blick über den Tellerrand hinaus war definitiv ein großer Mehrwert, von dem ich dauerhaft profitiert habe. Und ich habe viele interessante Menschen kennengelernt, mit denen sich meine Wege sonst wahrscheinlich nicht gekreuzt hätten.
Maier: Dem kann ich mich nur anschließen. Was ich mitgenommen habe, ist ein besseres Verständnis für die Bauherrenseite. Toll war der ungezwungene Austausch mit den Referenten, der Blick hinter die Kulissen. Den Kontakt zu den anderen Trainees fand ich auch sehr wertvoll. Diese gemeinsamen neun Monate verbinden einfach, das bleibt.
Sind Sie denn noch in Kontakt mit den anderen Trainees?
Frey: Ja, da
entsteht ganz automatisch ein gewisser Zusammenhalt.
Koller: Mit einigen aus meinem Jahrgang treffe ich mich noch in
unregelmäßigen Abständen. Und die Kammer bietet inzwischen auch zweimal
jährlich Veranstaltungen an, zu denen alle aktuellen und ehemaligen Trainees
eingeladen werden, sodass man auch jahrgangsübergreifend Kontakte knüpfen kann.
Maier: Ich habe sogar eine ehemalige Kommilitonin wiedergetroffen. An der Uni hatten wir gar nicht so viel Kontakt, aber in den Monaten des Traineeprogramms haben wir uns dann richtig gut kennengelernt. Ich bin nun sogar gemeinsam mit ihr Teil des Arbeitskreises junge Ingenieure der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau.
Arbeitskreis
junge Ingenieure? Was hat es damit auf sich?
Maier: Den Arbeitskreis junge Ingenieure gibt es seit Herbst 2019. Wir sind acht junge Leute, die im Auftrag des Vorstands der Kammer Projekte auf den Weg bringen, die sich an Berufseinsteiger und Ingenieure in den ersten Berufsjahren richten. Zusätzlich gibt es das Netzwerk junge Ingenieure, bei dem jeder Ideen einbringen und sich vernetzen kann.
Welche
Projekte gibt es denn ganz konkret?
Maier: Auf der
IKOM Bau und am Bayerischen Ingenieuretag haben wir eine Umfrage gemacht und ermittelt,
wie sich junge Ingenieure ihren Traumjob und die Rahmenbedingungen vorstellen
und welche Unterschiede es zu den Wünschen der älteren Kollegen gibt. Die
Ergebnisse werden wir demnächst online veröffentlichen. Was ich schon
vorwegnehmen kann: Ein „grünes“ Unternehmen punktet gerade bei den ganz jungen
Kollegen sehr stark. Und: der Job ist wichtig, aber die Work-Life-Balance muss
gewahrt bleiben.
Wie hat sich denn das Traineeprogramm auf Ihre Work-Life-Balance ausgewirkt? Sind Sie die Karriereleiter hochgeklettert?
Maier: Vom Titel her habe ich die gleiche Funktion. Ich bin immer noch Projektingenieurin, aber auf dem Weg zur Projektleiterin. Auch ohne neuen Titel habe ich mehr Aufgaben und mehr Verantwortung bekommen.
Frey: Das ist bei mir eigentlich genauso. Inzwischen nimmt BIM in meiner
Arbeit einen noch größeren Stellenwert ein. An diesem Thema kommt mittelfristig
ohnehin niemand mehr vorbei.
Koller: Ich bin inzwischen stellvertretender Abteilungsleiter der
Tragwerksplanung und Prokurist.
Was ist Ihnen vom Traineeprogramm nachhaltig in Erinnerung geblieben?
Frey: Die Referenten. Besonders ist mir Herr Balmert im Gedächtnis geblieben, der ist Stadtdirektor a.D. bei der Landeshauptstadt München. Er hat uns nahegebracht, wie auf Auftraggeberseite Projekte angegangen werden. Das fand ich wirklich sehr interessant.
Maier: Stimmt, Herr Balmert war super! Am besten fand ich aber das Kommunikationstraining bei Herrn Pittrich. Wir haben gelernt, welche verschiedenen Persönlichkeitstypen es gibt und wie man mit ihnen umgeht. Da wurde ich persönlich am meisten abgeholt.
Koller: Tatsächlich ist mir auch das Kommunikationstraining am stärksten in Erinnerung geblieben. Ich weiß noch, dass am Anfang alle etwas skeptisch waren. Aber Herr Pittrich hat eine super Atmosphäre geschaffen und dadurch waren alle gleich begeistert bei der Sache. Ich finde es gut, dass das Traineeprogramm auch Soft Skills vermittelt, das macht man sowieso viel zu selten.
Bei Ihnen
allen liegt die Teilnahme am Traineeprogramm schon ein paar Jahre zurück und
Sie sind immer noch im gleichen Büro. Zufall?
Frey: Ich empfand es als riesengroße Wertschätzung, dass ich am Traineeprogramm teilnehmen durfte. Das bindet einen natürlich ein Stück weit ans Unternehmen, ganz klar.
Koller: Das sehe ich auch so. Es ist ein gegenseitiger Vertrauensbeweis und natürlich auch ein Instrument der Mitarbeiterbindung.
Maier: Am Traineeprogramm teilnehmen zu dürfen, das motiviert ungemein. Ich verstehe das als ganz klares Signal, dass man weiterentwickelt werden soll, dass man jemand ist, der potenziell mehr Verantwortung bekommen soll. Das bindet, keine Frage.
Wie wichtig ist es aus Ihrer Sicht heutzutage, sich in einer Berufsvertretung zu organisieren?
Maier: Ich sehe die Mitgliedschaft in der Kammer als große Chance, etwas aktiv mitzugestalten, etwas zu bewirken. Gerade, wenn man in einem Arbeitskreis oder einem ähnlichen Gremium dabei ist. Die Kammer fördert auch den Dialog zwischen den Generationen, was für alle ein großer Gewinn ist. Man nimmt uns junge Ingenieure ernst, fragt nach unserer Meinung. In unserem Büro sind viele Kollegen in der Kammer, unser Chef unterstützt das.
Koller: Bei uns im Büro ist es üblich, in der Kammer zu sein. Ich bin schon seit 2011 dabei. Seit einem Jahr bin ich nun auch Beratender Ingenieur.
Frey: Ich bin 2018 in die Kammer eingetreten. Mein Antrieb ist es, der Bauwelt mehr Gehör zu verschaffen. Es ist wichtig, dass eine gewisse Lobbyarbeit gemacht wird, und dafür braucht es die Kammer.
Das
Interview führte Sonja Amtmann, Pressereferentin der Bayerischen
Ingenieurekammer-Bau
Der Artikel ist in der April-Ausgabe des Deutschen Ingenieurblatts erschienen. Hier können Sie sich den Artikel kostenfrei herunterladen:
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