27.05.2020 - Berlin
Die Bundesingenieurkammer, der Verband Beratender Ingenieure (VBI), der Bundesverband der Prüfingenieure für Bautechnik e.V. (vpi) und der Bund der öffentlich bestellten Vermessungsingenieure e.V. (BDVI) haben ein gemeinsames Positionspapier zur Revitalisierung der Wirtschaft vor dem Hintergrund der Corona-Krise vorgelegt.
Die Bundesingenieurkammer, vpi, VBI und BVDI sind sich einig: Ein neues und auf lange Sicht angelegtes Konjunkturprogramm für Deutschland muss jetzt volkswirtschaftliche Impulse geben UND drängende Zukunftsaufgaben voranbringen. Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind dabei die übergeordneten Ziele.
Die Planungs- und Bauwirtschaft ist ein verlässlicher Eckpfeiler der
deutschen Wirtschaft. Mit über 320 Mrd. Umsatzvolumen übertrifft sie andere
Branchen in Deutschland deutlich. Sie wird damit eine der bedeutendsten Stützen
der wieder zu belebenden Konjunktur in Deutschland sein. Um diese Potenziale kurz-
bis mittelfristig verlässlich heben zu können, bedarf es jetzt zielführender
und nachhaltiger Entscheidungen sowie vorausschauender Rahmenbedingungen - für
eine zukunftssichere Infrastruktur, bezahlbaren Wohnraum für alle und attraktive
Schulen.
Die
Ingenieurkammern und -verbände der am Bauwesen beteiligten Ingenieurinnen und
Ingenieure unterstützen den eingeschlagenen Weg der Bundesregierung ausdrücklich
und geben dazu die folgenden Impulse:
Investitionsanreize setzen - Stärkung öffentlicher und privater Bauherren
Investitionen, die von öffentlichen und privaten Bauherren ausgelöst
werden, haben messbare Skalierungseffekte und bewirken Folgeinvestitionen.
Diese erheblichen, zu erwartenden Multiplikatoreffekte lassen sich jedoch nur
heben, wenn dauerhaft und konsequent die Rahmenbedingungen für mehr
Investitionen geschaffen werden.
Bereits
vor der Coronakrise gab es einen massiven Investitionsstau, vor allem auf
kommunaler Ebene. Krisenbedingt wegbrechende Steuereinnahmen dürfen nicht zu
einer weiteren Verzögerung beim dringend benötigten Bau oder bei der Sanierung
von Infrastruktur und Hochbauprojekten führen. Angedachte Planungen sollten nicht verschoben und für bereits begonnene
Planungen zügig weitergeführt werden. Dabei müssen alle Möglichkeiten zur
Planungsbeschleunigung genutzt werden. Investitionen der öffentlichen
Hand, die den langfristigen Strukturwandel fördern und weitere Investitionen
auslösen, wie etwa Wohnungs-, Krankenhaus- und Schulbau sowie öffentliche Investitionen
in die physische und digitale Infrastruktur, sind zu priorisieren. Die
geplanten Investitionen des Bundes in den Verkehrswegebau müssen in voller Höhe
erhalten bleiben.
Investitionen
Bei der Überwindung der Coronakrise kann die Planungs- und Bauwirtschaft einen wesentlichen Beitrag leisten. Voraussetzungen hierfür sind jedoch Maßnahmen, die einen hohen konjunkturellen Wirkeffekt durch die konsequente Umsetzung laufender, vorbereiteter und vorzuziehender Maßnahmen erwarten lassen. Hierzu zählen zum einen nachhaltige Investitionen in die Mobilitätswende sowie Investitionen in die digitale Infrastruktur.
Vergabe
Die verlässliche Vergabe von öffentlichen Aufträgen
gewährleistet einen nachhaltigen Auftragsbestand. Dieser ist maßgeblich, damit
während der Coronakrise Planungskapazitäten vorgehalten werden können, die in
der Folge zur Bewältigung weiterhin bestehender Herausforderungen dringend
benötigt werden. Bereits vor der Corona-Pandemie war die Personalsituation in
vielen öffentlichen Verwaltungen angespannt. Hinzu kommen derzeit
pandemiebedingte Personalausfälle. Dies führt dazu, dass öffentlichen Auftraggebern
hier die notwendigen Kapazitäten fehlen, um eine kontinuierliche
Auftragsvergabe sicherzustellen. Aus diesem Grund ist das Vergaberecht auch
außerhalb der zur Bekämpfung der Pandemie notwendigen Beschaffungsmaßnahmen
flexibler zu gestalten. Hierzu wäre es insbesondere hilfreich, wenn
Planungsleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte ohne förmliche und zeitaufwendige
bürokratische Vergabeverfahren und ohne die Einholung von mindestens drei
Angeboten direkt vergeben werden könnten. Hierdurch würde gerade kleineren
Verwaltungseinheiten eine erleichterte und zeitnahe Vergabe von Aufträgen
ermöglicht, um kontinuierliche Planungsvergaben für die Zukunft
sicherzustellen. Gerade für kleinere und mittelständische Ingenieurbüros würde
eine solche Maßnahme eine deutliche Erleichterung der Arbeit ihrer Büros
darstellen. Die Verringerung des Verwaltungsaufwands und die des Aufwandes für
die Bearbeitung von Angeboten würden bei unterschwelligen Aufträgen zu erheblichen
Kosteneinsparungen und Zeitgewinnen führen.
Für den
Bereich oberhalb der EU-Schwellenwerte sollte die Bundesregierung eine
Initiative bei der EU-Kommission für entsprechende Vergabeerleichterungen
vorantreiben.
Klimaschutz
Die Planungs- und Baubranche kann unter allen
Wirtschaftszweigen einen deutlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Notwendig
ist ein Programm für nachhaltiges Wirtschaften, Klimaschutz und den laufenden
ökologischen Wandel. Der Ausbau bestehender KfW-Programme zur Förderung der energetischen
Sanierung und die gesetzliche Erleichterung ganzheitlicher
Modernisierungsansätze fördern Baumaßnahmen und verwirklichen gleichzeitig
klimapolitische Ziele.
Bei der energetischen Sanierung von Wohngebäuden
erfordert das ambitionierte Ziel der Bundesregierung, den Gebäudebestand bis
2050 nahezu klimaneutral zu gestalten, umfassende und auf einander abgestimmte
Maßnahmen.
Die aktuellen
und künftigen gesetzlichen Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden
sind aus Sicht der Planungswirtschaft jedoch nicht geeignet, dieses Ziel zu
erreichen. Hier sind klare und verlässliche Rahmenvorgaben notwendig. Gerade
die Wirtschaftlichkeit der durchzuführenden Maßnahmen und die einzuhaltenden
Standards spielen eine wesentliche Rolle für die Akzeptanz der Bauherren und
die Inanspruchnahme von Förderprogrammen. Schärfere Anforderungen wurden bisher
und werden weiterhin durch den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verhindert.
Durch die Beschränkung der Bewertung der Wirtschaftlichkeit auf das Verhältnis
zwischen Investition und Einspareffekt werden die Folgekosten der
Klimaveränderungen nicht mit einbezogen. Dies ist ein Bewertungsfehler, der
dringend korrigiert werden muss.
Darüber hinaus ist es notwendig:
Prozesse voranbringen - Digitalisierung beschleunigen
Den freiberuflichen Ingenieurinnen und Ingenieuren gelingt es derzeit meist noch, die Folgen der Corona-Krise abzufangen. Allerdings ist jetzt schon abzusehen, dass coronabedingte Herausforderungen wie sinkende Einnahmen erst verzögert auftreten. Daher ist es wichtig, heute schon die Auswirkungen auf die Zukunft im Blick zu haben. Planungskapazitäten, die kurz- und mittelfristig wegbrechen, haben Auswirkungen auf wichtige und dringend benötigte Infrastruktur- und Hochbauprojekte von morgen. Daher müssen Aufträge - insbesondere der öffentlichen Hand - trotz Coronakrise konsequent weiter ausgelöst werden und Fördermaßnahmen der öffentlichen Hand auch mittel- bis langfristig verfügbar sein. Die Funktionsfähigkeit der Bauverwaltungen muss dauerhaft gewährleistet bleiben. Notwendige und aus Gründen der Qualitätssicherung erforderliche Wettbewerbs- und Partizipationsverfahren müssen auch digital umsetzbar und auch über die Coronakrise hinaus digital möglich sein. Weitere verfahrensbeschleunigende Maßnahmen sind unter Wahrung der besonderen mittelständischen Strukturen der deutschen Planungs- und Bauwirtschaft zu begrüßen. Bewährte Methoden zur Qualitätssicherung dürfen dabei aber nicht außer Acht gelassen werden.
Digitalisierung
Die Digitalisierung in Deutschland muss umgehend massiv und konzertiert vorangebracht werden. Der Ausbau der Breitbandnetze muss oberste Priorität haben. Behörden und Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung müssen – sofern noch nicht geschehen – in die Lage versetzt werden, digital zu agieren. Hierzu gehört neben der Zurverfügungstellung der erforderlichen Mittel auch die Qualifizierung des Personals auf allen Ebenen. Auch die Träger der Wertschöpfungskette Bau bedürfen für eine konsequente Digitalisierung der Planungs- und Bauprozesse zielgerichteter Fort- und Weiterbildungsangebote mit einem hohen Qualitätsanspruch etwa über die Einrichtungen der Ingenieurkammern und -verbände. Hierfür sind geeignete Förderungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen.
Zukunft planen
Die deutsche Planungs- und Bauwirtschaft braucht vor allem eine Förderung und Stabilisierung der privaten und öffentlichen Aufträge sowie die Schaffung geeigneter innovativer und nachhaltig wirkender Rahmenbedingungen. Dies wirkt sich unmittelbar positiv auf die Planungs- und Bauwirtschaft aus.Daher ist bereits heute auch an morgen zu denken: ZUKUNFT SICHER GEPLANT!
Quelle: Gemeinsames Positionspapier von BIngK, vpi, VBI, BDVI
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