01.10.2021 - München/Würzburg
Ein Stadion auf dem Sanderrasen, ein Flussbad im Alten Hafen, ein Fahrradhighway über der Innenstadt und Salatanbau am Paradeplatz? Sind solche Ideen undenkbare Spinnerei oder durchaus denkbare Visionen für ein Würzburg der Zukunft? Mit dieser Frage und damit, wie eine ökologische, gerechte und soziale Stadt der Zukunft aussehen könnte, haben sich im vergangenen Sommersemester zwanzig Studierende des Studiengangs Geovisualisierung an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) beschäftigt.
"Den Rahmen für die kreative Ideenwerkstatt bildete die im vierten Semester anstehende `Projektbezogene Geovisualisierung`, in der die Studierenden ihre Fähigkeiten im Bereich Visualisierung erproben und ausbauen“, berichtet Stefan Sauer, Mitarbeiter im Studiengang Geovisualisierung. Statt einen standardisierten Arbeitsauftrag zu stellen, trug der Hochschul-Dozent seinen Studierenden auf, ein städtebauliches Konzept für die Weiterentwicklung der Stadt Würzburg zu entwerfen, das den Herausforderungen der Zukunft gerecht wird.
Im Fokus sollten dabei die Aspekte Ökologie, Klimafreundlichkeit, soziale Gerechtigkeit und lebenswertes Wohnen stehen. „Beispiele, wie eine als Skipiste genutzte Müllverbrennungsanlage in Kopenhagen, die Stadtseilbahn von Caracas oder landwirtschaftlich genutzte Hausdächer in New York zeigen, dass das machbar ist“, machte Sauer den Studierenden im Vorfeld klar. Nach einem Gang durch Würzburg und einem Workshop mit dem Architekten Matthias Braun entstanden anhand von Stadtplänen und Fotos erste Konzepte. Dann folgte die Ausarbeitung mit Planzeichnungen, Renderings, einem Plakat sowie einer medialen Live-Präsentation.
Dass die Studierenden nah am Puls der Zeit sind, zeigen Ideen wie die urbane Seilbahn, Park & Ride am Greinberg, die Umgestaltung des Hauptbahnhofs oder die Renaturierung der Pleichach. Andere wiederum haben bewusst noch höher hinausgedacht. Georg Novotny etwa träumt unter dem Titel „Alles im Fluss“ von einer schwimmenden Plattform im Main in Ammonitenform sowie einem Pavillon an der alten Schleuse und will so neue Räume mit echter Aufenthaltsqualität schaffen. „Ich fand es schon immer schade, dass der Mainkai, der ja eigentlich eine Schauseite der Stadt ist, vom Verkehr überflutet wird“, so Novotny. Die große Freiheit und die Möglichkeit, das eigene Erleben einzubringen, haben ihn von Anfang an gereizt.
Dass Novotny mit seiner Idee einen neuralgischen Punkt getroffen hat, zeigt die aktuelle Diskussion um das Sonntagsfahrverbot am Mainkai. Christoph Dürr will mit seinem Projekt „Autonom in die Zukunft“ den Autoverkehr in der Innenstadt verringern, ohne dabei dem Einzelhandel zu schaden. Sein Mittel der Wahl sind eng getaktete selbstfahrende E-Busse, die in anderen Städten bereits in der Erprobung sind.
Ein Mehrwert für alle Seiten war die Beteiligung der Stadt Würzburg. Peter Wiegand und Uwe Kömpel vom Fachbereich Stadtplanung haben den Arbeitsfortschritt kommentiert und die Studierenden mit progressiven Anregungen aus der eigenen Denkwerkstatt ermutigt, „über den realen Horizont hinaus zu denken und undenkbare Ideen weiter zu spinnen“. Warum? „Es geht darum, feste Denkmuster zu durchbrechen, die Dinge zu überspitzen, bewusst mal übers Ziel hinauszuschießen. Nur so kommt man in die Köpfe der Menschen rein, kann man öffentliche Akzeptanz und Phantasie anregen“, so Kömpel. Auf einen Liebling will sich der Stadtentwickler nicht festlegen: „Alle Ideen haben ihre Berechtigung und können bei der Suche nach Lösungen fruchtbar sein“, stellt er klar.
Zehn der zwanzig Präsentations-Plakate waren bis 3. Oktober am Stand der Stadt Würzburg auf der Mainfrankenmesse zu sehen. Außerdem können Besucherinnen und Besucher mit der „Domstraße vor 1945“ und der „Balthasar-Neumann-App“ zwei weitere innovative, an der FHWS entwickelte Projekte live erleben.
Für Dozent Stefan Sauer ist das Ziel der Vorlesung mehr als erreicht. „Ich wollte die jungen Leute zu neuen Ideen ermutigen, an denen sie wachsen und für die sie sich kreativ und emotional engagieren können“, sagt er. „Wenn es die Arbeiten dann noch in die Öffentlichkeit schaffen und Menschen vor den Plakaten stehen und diskutieren, sind wir genau da, wo wir hinwollen.“
Bild: Anja Legge
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