10.11.2021 - München
Dr. Andreas Ebert, Justiziar und stv. Hauptgeschäftsführer der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, erläutert im Interview, wie er die Entwicklungen der Branche in den letzten beiden Jahrzehnten erlebt hat und was er zum teils spannungsgeladenen Verhältnis Ingenieur – Jurist meint. „Ich glaube, das ist ein bisschen eine Hassliebe. Schlussendlich können wir nicht ohne einander, auch wenn's nicht immer einfach ist“, so Dr. Ebert.
Herr Dr. Ebert, Sie sind stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, Justiziar und dienstältester Hauptamtler in der Kammer. Welche dieser drei Rollen ist Ihnen die liebste?
Ich stamme sogar noch aus dem vorherigen Jahrtausend (lacht)! 1999 habe ich bei der Kammer angefangen. Aber wie lange genau ich schon dabei bin, das ist mir nicht weiter wichtig.
Die Tätigkeit als Justiziar ist mir ganz klar die liebste Aufgabe. Denn in dieser Funktion habe ich die Möglichkeit, direkt Dienst am Mitglied zu leisten.
Als Sie bei der Kammer begonnen haben, haben Sie alle juristischen Fragen noch alleine beantwortet. Inzwischen haben Sie Unterstützung. Wie haben Sie innerhalb des Rechtsreferates die Aufgaben verteilt?
In meinen ersten Monaten bei der Kammer gab es noch einen Geschäftsführer, der auch Jurist war. Das hat mir den Einstieg insgesamt erleichtert. Aber die Mitgliederanfragen hatte schon damals ich auf dem Tisch. Später kamen dann auch alle internen Rechtsanliegen dazu.
Die Mitgliedsanfragen veränderten sich über die Jahre vom Umfang und von den Schwerpunkten her. Allein durch die stetig steigenden Mitgliederzahlen wurde naturgemäß der juristische Beratungsbedarf größer. Spätestens als wir 2008 die kostenlose Erstberatung eingeführt haben, war klar, dass wir eine zusätzliche Kraft brauchen. In diesem Jahr wurde dann Monika Rothe eingestellt. Ab da war ich nicht mehr der Einzige, der für das Wohl und Wehe aller Anfragen zuständig ist (lacht). Dieses Jahr kam dann noch Maurice Iarusso dazu. Er arbeitet nachmittags bei uns, Frau Rothe vormittags.
Außerdem gehört Doris Schrötter zum Referat Recht. Sie ist seit 2018 an Bord und zuständig für die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Außerdem prüft sie stichprobenartig die Berufshaftpflichtversicherungen unserer Mitglieder.
Warum muss denn die Berufshaftpflicht geprüft werden? Ist das so ein großes Thema?
Oh ja, das ist es. Die Berufshaftpflichtversicherung und die Deckungssumme sind vorgeschrieben, da führt kein Weg dran vorbei. Leider stoßen wir bei den Stichprobenkontrollen immer wieder auf unzureichende Absicherungen. Offenbar besteht bei Einigen Unklarheit darüber, welche Summe und welche Tätigkeit versichert sein muss.
Sollten wir Unstimmigkeiten feststellen, muss das natürlich bereinigt werden. Wenn das Mitglied den Mangel zeitnah und vollständig behebt, sind wir nicht nachtragend. Unangenehm wird es für das Mitglied nur, wenn es eine nötige Anpassung auf die lange Bank schieben möchte.
Sie sagten, der Beratungsbedarf sei über die Jahre größer geworden. Woher kommt das eigentlich? Mehr Streitigkeiten, kompliziertere Vorschriften oder größere Bekanntheit des Serviceangebotes der Kammer?
Gute Frage. Sicher von allem ein wenig. Was man auf jeden Fall bemerkt, ist eine starke Veränderung der Beratungsthemen. Früher drehte sich fast die Hälfte der Anfragen um die HOAI. Doch nicht erst seit die HOAI-Höchst- und Mindestsätze unverbindlich sind, hat das Thema Honorare – zumindest bei den Beratungsanfragen an uns – an Bedeutung verloren.
Seit vielen Jahren steht das Berufsrecht an der Spitze, mit jetzt auch etwa 40 bis 50 Prozent aller Vorgänge. Dazu gehören z.B. Anfragen zum Gesellschaftsrecht, wie der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung.
In der Juristerei gibt es ja sehr viele Möglichkeiten, sich zu spezialisieren. Was hat Sie am Baurecht gereizt?
In jungen Jahren denkt man nicht an Spezialisierung. Sie ergibt sich dann von selbst, zum Beispiel wenn man Justiziar bei einer Kammer für Bauingenieure wird und feststellt, wie groß der Beratungsbedarf der Mitglieder ist.
Juristen und Ingenieure - das ist ja nicht immer die einfachste Beziehung. Warum eigentlich?
Ich glaube, das ist ein bisschen eine Hassliebe. Schlussendlich können wir nicht ohne einander, auch wenn's nicht immer einfach ist. Ich denke, die Schwierigkeit liegt vor allem in der unterschiedlichen Mentalität. Ingenieure sind sehr lösungsorientierte Menschen. Wenn es ein technisches Problem gibt, setzen sie alles daran, es zu lösen. Uns Juristen wurden schon im Studium eingebläut, dass durch Gesetz und Rechtsprechung Grenzen gezogen werden, die man akzeptieren muss. Ob man das nun gut findet oder nicht.
Ein weiterer Punkt ist, dass wir Volljuristen immer mal wieder von "Erfahrungsjuristen", wie sich ein Kammermitglied mal selbst bezeichnet hat, herausgefordert werden. Deren aus oft langjähriger Praxiserfahrung gewonnene Rechtskenntnisse sind bisweilen auch wirklich verblüffend, aber gelegentlich nicht mehr auf dem neuesten Stand. Und es fehlt ihnen dann schon mal der Blick für den gesamtjuristischen Zusammenhang.
Nicht nur unter den Ingenieuren, auch in anderen Branchen, werden Juristen teils als "Verhinderer" und "Umstandskramer" wahrgenommen. Ist da was dran?
Bedenkenträger und Blockierer haben Sie vergessen (lacht). Naja, es ist so: Wir Juristen sorgen dafür, dass die Gesetze eingehalten werden, das ist unser Job. Da geht es nicht um unsere Meinung, ob das jeweilige Gesetz so gut und sinnvoll ist oder nicht. Das Gesetz ist, wie es ist, und wir müssen uns wie alle anderen daran halten. Nach einem ersten Unmut – den ich auch verstehe – lenken die Leute dann aber meist ein. Und die Mitglieder sind dankbar, wenn sie die rechtlichen Grenzen ihrer Möglichkeiten kennen. Dafür rufen sie ja auch bei uns an.
Der
Unmut gegenüber meinem Berufsstand mündete vor Jahren sogar einmal in den
Vorstoß "Bauen ohne Juristen", der dann aber treffender als
"Bauen ohne Gerichte" weiterverfolgt wurde. Denn das eigentliche
Problem liegt woanders:
Der Grund ist einfach: Die Gerichte sind unterbesetzt und oft auf die schwierigen bautechnischen Fragestellungen nicht genug spezialisiert. Dabei gibt es bei den Juristen eigentlich keinen Fachkräftemangel. Aber der Staat will keine neuen Stellen schaffen, wegen der Kosten.
Auch Gutachten spielen eine Rolle. Gerichtlich beauftragte Gutachten lassen Sachverständige eher mal liegen, sie sind weniger lukrativ. Das trägt natürlich nicht gerade zur Prozessbeschleunigung bei.
Worauf sollte man achten, wenn man Verträge schließt oder sich an Vergabeverfahren beteiligt, damit es gar nicht erst zu Streitigkeiten kommt?
Ganz grundsätzlich sollte man offen miteinander umgehen und aufziehende Probleme ansprechen. Sehr viele Streitigkeiten gehen auf mangelnde Kommunikation zurück. Um zumindest vertraglich auf solidem Boden zu stehen, empfehle ich, die Muster-Ingenieurverträge der Kammer zu nutzen und auch unsere Vorlagen für Standardschriftverkehr sowie die Bewerbungsbögen VgV-Verfahren. All diese Dokumente kann man kostenfrei auf der Kammer-Homepage herunterladen. Und wenn Fragen offenbleiben: Bitte anrufen!
Herr Dr. Ebert, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Sonja Amtmann, Pressereferentin der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau
Foto: Tobias Hase
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