26.11.2021 - München
"In der modernen Demokratie sollte Bürgerbeteiligung selbstverständlich sein. In der Praxis wird dies jedoch oft als Etikettenschwindel empfunden", sagt Vorstandsmitglied Dieter Räsch in der aktuellen Kammerkolumne in der Bayerischen Staatszeitung. Oft werde Bürgerbeteiligung zwar propagiert, aber es komme vielfach kein Dialog auf Augenhöhe zustande.
Baumaßnahmen stehen immer wieder in der Kritik, sei es, weil die Akzeptanz für das Bauvorhaben fehlt oder weil die Kosten ausufern. Die Frage nach einer angemessenen Bürgerbeteiligung stellt sich insbesondere für Großprojekte mit Auswirkungen auf das Gemeinwohl.
In der modernen Demokratie sollte Bürgerbeteiligung selbstverständlich
sein. In der Praxis wird dies jedoch oft als Etikettenschwindel empfunden, da
die Bürgerbeteiligung zwar propagiert wird, aber vielfach kein Dialog auf
Augenhöhe zustande kommt.
Video-Statement von Dieter Räsch
Der Investor, die Kommune, der Bauherr verstehen
Bürgerforen teils als Mittel zur reibungsfreien Durchführung der Bauvorhaben,
weniger als Eingehen oder gar Realisieren von Anregungen der Betroffenen. Auf der anderen Seite nimmt ein Großteil der Bürger*innen
die Möglichkeit zum konstruktiven Dialog gar nicht wahr. Die, die teilnehmen,
sind im Regelfall direkt Betroffene, die dem Vorhaben oftmals kritisch
gegenüberstehen.
Wie also kann Bürgerbeteiligung als Ausgestaltung des politischen Gemeinwesens gelingen? Und zwar so, dass die Beteiligung auch von allen Seiten als lohnend und gelungen empfunden wird?
Im Baugesetzbuch sind im § 3 Regelungen zur möglichst frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit aufgezeigt. Bereits 2015 wurde im Reformkommunikationsbericht zum Bau von Großprojekten unter Mitwirkung der Baubranche ein 10-Punkte-Plan entwickelt, in dem u.a. gefordert wird: Erst planen, dann bauen; transparent und kooperativ planen und Prozesse und Zuständigkeiten klar definieren.
Ähnlich hat das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr in seinem Leitfaden für Bürgerbeteiligung im Städtebau Erfolgsfaktoren herausgestellt. Darin wird Dialogbereitschaft, unabhängig vom eigenen Standpunkt, eingefordert, Die Rahmenbedingungen des Bauvorhabens müssen für alle Akteure klar erkennbar sein, fortlaufendes Kommunizieren durch Prozessmanagement mit festgelegten Ansprechpartnern wird vorausgesetzt. Eine fortschreitende, zielgruppenorientierte Konzeption und Analyse wird ebenso als erforderlich erachtet, wie fortlaufende, konkrete Festlegungen zur Weiterverarbeitung von Zwischenzielen.
Konzepte gibt es also genug. Doch diese und ähnliche, sicher wertvolle und gut gemeinte Hinweise scheitern oft am sogenannten Beteiligungsparadoxon und der Frage nach dem richtigen Zeitpunkt des Dialogs.
Ganz am Anfang ist die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, groß, aber die Projekte sind meist noch sehr unkonkret und das Interesse von Betroffenen und der Allgemeinheit ist gering. Nimmt das Projekt aber konkrete Formen an, sind – auch berechtigte – Kritikpunkte oft nur schwer in dem dann schon fortgeschrittenen Planungsprozess zu berücksichtigen. Oder man nimmt durch die dadurch notwendige Umplanung eine spätere Fertigstellung und steigende Kosten in Kauf.
Der Anspruch und die Anforderungen an die Bürgerbeteiligung werden in der Praxis sehr unterschiedlich gehandhabt und reichen von: Informieren, über Konsultieren, Einbeziehen, Kooperieren bis hin zu Ermächtigen mit Übertragung von Verantwortung.
In diesem Spannungsfeld ist es wichtig, dass alle Beteiligten sich auf Augenhöhe begegnen und einen verbindlichen Rahmen ihrer Zusammenarbeit von vorneherein gemeinsam festlegen, Ergebnisse immer transparent kommunizieren und alle wichtigen lokalen Institutionen und Organisationen einbinden.
Nur so kann erreicht werden, dass die Bürgerbeteiligung, die ja allen offen stehen soll, nicht nur von persönlich Betroffenen und Bedenkenträgern, die sich dann gegenseitig die passenden Stichworte geben, genutzt werden und dass das Ergebnis der Bürgerbeteiligung als Sorge um das Allgemeinwohl verstanden und erlebt wird.
Um die oft gegensätzlichen Auffassungen zu bewerten und möglichst neutral zu beurteilen, sind Experten gefragt, die eine solche Aufgabe auch moderieren können. Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau kann hier Ansprechpartnerin für fachlich und kommunikativ geeignete Ingenieur*innen sein.
Kolumne von Dieter Räsch, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, veröffentlicht in der Bayerischen Staatszeitung vom 26.11.2021.
Kolumne in der Bayerischen Staatszeitung
Die Bayerische Ingenieurekammer veröffentlicht einmal im Monat eine Kolumne zu aktuellen Themen in der Bayerischen Staatszeitung. Hier nehmen die Mitglieder des Vorstands der Kammer Stellung zu Themen aus Bauwesen, Politik und Gesellschaft.
Hier haben wir Ihnen alle Kolumnen zum Lesen oder als Download bereitgestellt.
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