03.02.2022 - Berlin
Der Bund riskiert seine eigenen Neubau- und Klima-Ziele: Beim Wohnungsbau versucht die Bundesregierung, mit angezogener Handbremse in Fahrt zu kommen - auf 400.000 Neubauwohnungen im Jahr. Gelingen wird ihr dies so jedoch nicht. Darin ist sich die Bau- und Immobilienbranche einig. Im Fokus ihrer Kritik: Der „Zick-Zack-Kurs“ bei der Förderung für den Neubau und die Sanierung energieeffizienter Häuser. In einem neuen Positionspapier fordern sie schnelle Maßnahmen
Mehr als dreißig führende Organisationen und Verbände der Bau- und Immobilienbranche - darunter auch der Deutsche Mieterbund, die IG BAU und die Bundesingenieurkammer - verabschiedeten jetzt ein Positionspapier, das sie als Wohnungsbau-Appell an Bundestag und Bundesregierung richten. Die Hauptbotschaft: Der Wohnungsbau braucht mehr Verlässlichkeit, mehr Tempo, mehr Anreize – und weniger bürokratische Hürden.
Zusammengeschlossen in der Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“, die in Bayern auch von der Bayerischen Ingenieurkammer-Bau untserstützt wird, fordern die Branchengrößen, ein Ende der „Wohnungsbaupolitik nach Kassenlage“. Zwar habe die Bundesregierung nach dem in der vergangenen Woche verkündeten Stopp bei der Neubauförderung mittlerweile Verbesserungen angekündigt.
Grundsätzlich sei aber eine verlässliche und kontinuierliche Förderung der staatlichen KfW-Bank sowohl für Energiespar-Sanierungen als auch für den Neubau von Effizienzhäusern (im KfW-Standard 55 und 40) erforderlich. Der Bund könne sich hier keine „Förderlücke“ erlauben, wenn er seine Neubau- und Klima-Ziele erreichen wolle. Hier sei eine entschlossene „Geradeaus-Politik der Ampel“ notwendig.
Das Positionspapier ist der Ruf einer ganzen Branche nach mehr Sicherheit bei der Planung und nach besseren Rahmenbedingungen. Gerade auch die Bauwirtschaft brauche eine verlässliche Perspektive, um Bau- und Handwerkerkapazitäten aufzubauen. Dafür müsse die im Koalitionsvertrag angekündigte Erhöhung der linearen Abschreibung im Mietwohnungsbau von 2 auf 3 Prozent möglichst schnell realisiert werden, so die Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“. Gefordert werden auch zusätzliche Steueranreize für den Neubau von Mietwohnungen in Regionen mit besonders angespannten Wohnungsmärkten in Verbindung mit einer Mietobergrenze.
Darüber hinaus müsse die Bundesregierung vor allem auch für den sozialen Wohnungsbau erheblich mehr Geld zur Verfügung stellen: Die im Koalitionsvertrag vereinbarten 100.000 Sozialwohnungen, die pro Jahr neu gebaut werden sollen, seien politisch ein gutes Signal. Die Ampel-Koalition müsse bei deren Finanzierung jetzt allerdings liefern – und das dauerhaft.
Auch der Klimaschutz sei ein „wohnungsbaupolitischer Marathonlauf“: Hier ist, so das Branchenbündnis, die deutliche Ausweitung von energetischen Gebäudesanierungen notwendig, um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen. Bei der Energiespar-Modernisierung von Mietwohnungen sei gleichzeitig ein gutes „soziales Augenmaß“ notwendig.
Mit seiner Wohnungsbaupolitik sollte der Staat auch eine soziale Chance nutzen: Die Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“ spricht sich – neben der Schaffung von mehr bezahlbaren Mietwohnungen – auch dafür aus, künftig mehr Menschen den Wunsch nach den eigenen vier Wänden zu erfüllen. Wohneigentum, das selbst genutzt werde, biete gerade jungen Familien und Haushalten mit niedrigen und mittleren Einkommen einen Schutz davor, später durch hohe Mieten in Altersarmut zu rutschen. Der Staat könne hier mit Darlehen, die einen Teil des Eigenkapitals ersetzen, und durch eine niedrigere Grunderwerbsteuer eine wichtige „Starthilfe fürs Wohneigentum“ geben.
Die Bau- und Immobilienbranche drückt aufs Tempo: Planungen und Genehmigungen sollen schneller und digitaler laufen. Es müsse weniger Bürokratie und gleichzeitig mehr Personal in den Verwaltungen geben, damit der Wohnungsbau beschleunigt werde. Das Bauen in Serie und mit vorgefertigten Teilen müsse rasch und routiniert machbar sein. Zudem komme es darauf an, die für den Bau notwendigen Rohstoffe wie Sand oder Kies zu sichern sowie die entsprechenden Genehmigungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Niedrige bürokratische Hürden, kürzere
Verfahren bei der Genehmigung und eine effektive Förderung fordert das
Verbändebündnis auch für die Dachaufstockung bei bestehenden Gebäuden. Ebenso
beim Umbau von Gewerbeimmobilien zu Wohngebäuden. Die Chance, zusätzliche
Wohnungen zu schaffen, ohne dafür auch nur einen Quadratmeter Bauland
zusätzlich zu benötigen, müsse deutlich mehr genutzt werden, so die Aktion
„Impulse für den Wohnungsbau“.
www.impulse-fuer-den-wohnungsbau.de
Downloads
2022-02-02_Aktion_Impulse_Positionspapier_-_Mehr_Wohnungsbau.pdf
Pressemitteilung-Ampel_angezogene_Handbremse_beim_Wohnungsbau.pdf
1. Investitionsbedingungen
im Mietwohnungsbau durch AfA-Anhebung verbessern
Für die angestrebte Steigerung des Wohnungsneubaus müssen attraktive Anreize gesetzt werden. Die geplante Erhöhung des linearen Abschreibungssatzes von 2 auf 3 Prozent kann hier einen wichtigen Beitrag leisten. Mit der Anhebung wird ein wichtiges Signal nicht nur an Investoren, sondern auch an die Bauwirtschaft zum weiteren Aufbau der dringend benötigten Bau- und Handwerkerkapazitäten gesendet. Um Attentismus auf der Investorenseite und damit Verzögerungen bei der Ankurbelung der Bautätigkeit zu vermeiden, ist die schnellstmögliche Anpassung der Abschreibungsbedingungen notwendig. In Regionen mit besonders angespannten Wohnungsmärkten wäre die Einführung zusätzlicher steuerlicher Anreize in Verbindung mit einer Mietobergrenze zu prüfen.
2. Förderung des energieeffizienten Bauens verlässlich fortführen
Um das energieeffiziente Bauen voranzubringen, ist die Förderung erhöhter energetischer Standards von zentraler Bedeutung. Der kurzfristige Förderstopp aller KfW-Gebäudeenergieeffizienzprogramme am 24.01.2022 wie auch die zwar bereits angekündigte, aber ebenfalls vorzeitige Einstellung der EH-55-Förderung im Neubau sind hinsichtlich der für das Bauen dringend erforderlichen Planungssicherheit und Verlässlichkeit eine fatale Entscheidung. Damit werden nicht nur die Kosten für Bauherren und künftige Mieter unerwartet nach oben getrieben und die Schaffung des dringend benötigten Wohnraums stark ausgebremst, sondern auch ein erheblicher Vertrauensverlust sowie Brüche im Fördersystem Bund-Länder verursacht. Projekte, die sich im Genehmigungsprozess befinden und deren Investoren die Förderung einkalkuliert haben, werden wirtschaftlich unattraktiv und verzögern sich bzw. werden eingestellt. Insoweit muss hier schnellstmöglich eine Fortführung der bisherigen Förderung gewährleistet werden, solange die im Koalitionsvertrag vorgesehene Umstellung der Fördersystematik auf die Treibhausgasemissionen je Quadratmeter noch nicht eingeführt ist.
3. Geförderten Wohnungsbau vorantreiben und auskömmlich finanzieren
Der Bestand an Sozialmietwohnungen ist in den vergangenen Jahren erheblich geschrumpft, da deutlich mehr Wohnungen aus der Belegungsbindung gefallen sind als neue gebaut wurden. Daher ist die Ankündigung, jährlich 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen zu errichten, ein ermutigendes Signal. Dafür muss die soziale Wohnraumförderung seitens des Bundes ab sofort aufgestockt und von den Ländern in angemessener Höhe kofinanziert werden. Die angekündigte Erhöhung der Bundesmittel um 1 Mrd. Euro ist ein erster wichtiger Schritt, reicht allerdings zur Erreichung der genannten Ziele bei Weitem nicht aus. Im Ergebnis muss der Sozialwohnungsbestand dauerhaft stabilisiert und nachhaltig erhöht werden. Für das Erreichen dieses Ziels ist die Streichung der KfW-Förderung für energieeffiziente Gebäude kontraproduktiv, da die Landesförderprogramme in der Regel darauf aufsetzen. Die beabsichtigte Neuausrichtung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) in Richtung bau-, wohnungs- und stadtentwicklungs- politischer Ziele ist zu begrüßen.
4. Wirksame Impulse für energetische Modernisierungen setzen
Um den Gebäudesektor bis 2045 vollständig zu dekarbonisieren, sollen die Treibhausgasemissionen von Gebäuden bereits bis 2030 um rund 45 Prozent gegenüber 2020 gesenkt werden. Dieses Ziel ist nur dann erreichbar, wenn die Modernisierung von Gebäudehülle und -technik sowie die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien, verbunden mit einem effizienten Gebäudebetrieb, optimal aufeinander abgestimmt werden. Die Dekarbonisierung des Gebäudesektors muss forciert werden, ohne private Haushalte finanziell zu überlasten. Daher muss mit der verbesserten Förderung von besonders umfangreichen Einzelmaßnahmen an der Gebäudehülle die Voraussetzung für die effiziente Nutzung innovativer Technologien im Wärmebereich geschaffen werden. Darüber hinaus sind die steuerlichen Rahmenbedingungen für die sozialverträgliche energetische Modernisierung vermieteter Wohngebäude zu optimieren.
5. Bildung selbstgenutzten Wohneigentums stärken
Die Förderung der Errichtung dauerhaft selbstgenutzten Wohneigentums kann ebenso im Interesse von jungen Familien und Schwellenhaushalten liegen, wie sie insbesondere bei der Vermeidung von Altersarmut hilft. Eigenkapitalersetzende Darlehen und eine flexiblere Ausgestaltung der Grunderwerbsteuer, wie sie die neue Bundesregierung beabsichtigt, sind in diesem Zusammenhang als erste Maßnahmen zur Erleichterung der Wohneigentumsbildung zu begrüßen. Bund und Länder sind hier aufgefordert, gemeinsam schnell zu handeln, so dass diese Förderung die Anstrengungen zur dringend erforderlichen Schaffung bezahlbarer Mietwohnungen schnell ergänzen kann.
6. Bei Beschleunigung von öffentlichen Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungs- verfahren den Wohnungsbau im Blick behalten
Die im Koalitionsvertrag vielfach erwähnte Beschleunigung von Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren ist nicht zuletzt für den Wohnungsbau, insbesondere hinsichtlich städtebaulicher Verdichtung, Umnutzung und Erweiterung des Bestandes, von erheblicher Bedeutung und sehr zu unterstützen. Durch Entbürokratisierung, verstärkten Personalaufbau in der Verwaltung und Einbeziehen des modularen und seriellen Bauens und Sanierens einschließlich der Verwendung typisierter Bauelemente können Prozesse vereinfacht, Behörden entlastet und Kosten gesenkt werden. Hierzu kann auch die verstärkte Digitalisierung beitragen – von der Bauplanung über Genehmigungsverfahren und Ausführung bis hin zur Bewirtschaftung. Schließlich ist für die Erreichung der Wohnungs- bau-Ziele auch die bedarfsgerechte Versorgung mit Baurohstoffen dauerhaft zu gewährleisten und die heimische Rohstoffgewinnung zu sichern. Auch hier gilt es, die Genehmigungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen.
7. Flächen effizient nutzen – Nachverdichtung von Quartieren vorantreiben
Trotz der ambitionierten Neubauziele ist ein effizienter Umgang mit der Ressource Grund und Boden wichtig, um die Flächenverbrauchsziele der Bundesregierung langfristig einhalten zu können. Deshalb ist es notwendig, die Potenziale im Bestand zu nutzen. Daher sind sowohl die Möglichkeiten der Erweiterung mit Aufstockungen und Dachausbauten als auch Umwandlungen von Büro- oder Gewerbeimmobilien in Wohnraum und Nachverdichtungen in Gebieten mit erhöhtem Wohnraumbedarf zu unterstützen. Im Sinne des flächeneffizienten und energetisch nachhaltigen Bauens ist dabei stets die Quartiersentwicklung zu berücksichtigen. Um diese Potenziale auszuschöpfen, sollten eine entsprechende Förderung gewährt werden sowie Aufstockungen bzw. Umnutzungen auch bei der Weiterentwicklung von Instrumenten der Wohnraumförderung künftig verstärkt Berücksichtigung finden. Darüber hinaus sollte im Bau- und Planungsrecht, z.B. in den Landesbauordnungen, verstärkt auf Erfordernisse des Bauens im Bestand im Sinne einer „Umbauordnung“ abgestellt werden.
Quelle und Grafik: Koordination der Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“: Bundesverband Baustoffe - Steine und Erden e.V.
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