02.12.2022 - Berlin
Vor dem Hintergrund der dramatischen Lage im Wohnungsbau haben 17 Spitzenverbände und Kammern der Bau-, Planungs- und Immobilienwirtschaft am 2. Dezember 2022 in einem gemeinsamen Appell ihre Forderungen an Bundesregierung und Bundestag sowie die Verantwortlichen in den Ländern formuliert. Darin schlägt die gesamte Wertschöpfungskette Bau 12 zentrale Maßnahmen vor, die jetzt schnellstmöglich gemeinsam angegangen werden müssen.
Der Wohnungsbau ist ins Stocken geraten. Die Gründe sind aufgrund der Pandemie und den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine vielschichtig, jedoch lösbar. Doch dazu braucht es eine Kraftanstrengung der Bundesregierung. Die notwendige „Feuerwehrmentalität“ des Kabinetts blieb bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums bisher aus. Die ambitionierte Initiative des Bundesbauministeriums konnte die Entwicklung nicht aufhalten und droht zu scheitern. Dies zeigen die Zahlen beim Wohnungsbau.
Deshalb appelliert die gesamte Wertschöpfungskette Bau an Bundeskanzler Olaf Scholz und die Bundesregierung, jetzt die dringend erforderlichen ordnungspolitischen sowie finanziellen Weichen zu stellen. In einem am 2. Dezember 2022 veröffentlichten Schreiben der wesentlichen Organisationen der Wertschöpfungskette Bau werden zentrale Maßnahmen aufgezeigt, die eine sich verschlechternde Lage beim Wohnungsbau abfedern und 2023 zu einer Trendwende führen können.
Denn nur wenn alle Rahmenbedingungen passen, kann die notwendige Umkehr eingeleitet werden. So macht das Bündnis aus Verbänden und berufsständischen Kammern darauf aufmerksam, dass sich die Bundesregierung der zuspitzenden Lage am Wohnungsbaumarkt und ihrer damit verbunden gesellschaftlichen Verantwortung stellen muss. Denn die Schaffung von Wohnraum ist zugleich auch Sozial- und Familienpolitik.
Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer, fordert: „Schnellere Projektrealisierungen und Innovationen am Bau dürfen nicht durch ein Zuviel an Regulierung und Formalismen ausgebremst werden. Eine gesunde Portion Pragmatismus und die Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen sind jetzt unerlässlich.“
Ingenieure und Ingenieurinnen appellieren an die Bundesregierung: „Technischer Fortschritt, Innovationsfreudigkeit und Mut werden benötigt. Denn zügig Wohnraum zu schaffen und klimaschonend zu bauen, muss kein Widerspruch sein. Vielmehr braucht es mehr Freiraum bei der Planung und Umsetzung“, so Dr.-Ing. Heinrich Bökamp weiter.
Gemeinsamer Appell der 17 Verbände und Kammern zum Wohnungsbau
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist alarmierend. Während der Wohnungsneubau weiterhin stark rückläufig ist, besteht in Deutschland nach wie vor ein enormer Bedarf an (kostengünstigem) Wohnraum – vor allem in den Ballungszentren. Hohe Bau-, Energie- und Materialkosten, gestiegene Zinsen, langwierige Bau- und Planverfahren sowie eine mehrfach zusammengebrochene Wohnungsbauförderung führen zu einer Abwärtsspirale im Wohnungsbau mit gravierenden Folgen. Die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung dagegen zu steuern, sind bislang unzureichend, zumal der Bedarf allein angesichts der Millionen von Menschen, die der Krieg in der Ukraine in die Flucht treibt, in den nächsten Monaten weiter anwachsen wird.
Es braucht einen neuen, entschiedenen Kraftakt. Und zwar Jetzt.
Im Jahr 2021 wurden nur noch 293.393 Wohnungen neu gebaut. 2022 wird diese Zahl aller Voraussicht noch unterschritten. Alle Vorzeichen deuten darauf hin, dass es im Jahr 2023 einen dramatischen Einbruch geben wird. Das Ziel der Koalition, jährlich 400.000 Wohnungen zu bauen, droht zum Wunschdenken zu werden.
Dieser fortschreitende Abstieg muss gestoppt werden. Dringend.
Die Mitglieder der Verbände und Kammern der Planungs-, Bau-, Immobilien- und Wohnungswirtschaft wollen bauen, sollen bauen, aber können unter den aktuellen Bedingungen oft nicht bauen. Wohnraum ist ein entscheidender Beitrag zum sozialen Zusammenhalt, weshalb die Bundesregierung alles unternehmen muss, den Menschen in Deutschland bezahlbaren und ausreichend Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Wir unterstützen sie dabei mit voller Kraft, brauchen aber die richtigen Rahmenbedingungen in Verbindung mit echter Deregulierung.
Wir fordern die Bundesregierung gemeinsam auf, nachfolgende Schritte schnellstmöglich gemeinsam anzugehen:
Gemeinsamer Appell der 17 Verbände und Kammern zum Wohnungsbau
HDB-Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller, IVD-Bundesgeschäftsführerin Carolin Hegenbarth, ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa sowie ZIA- Hauptgeschäftsführer Oliver Wittke erläuterten am 22.12.2022 im Pressegespräch stellvertretend die Lage und die politischen Forderungen.
Oliver Wittke, Hauptgeschäftsführer des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA): „Der Wohnungsneubau in Deutschland steht aufgrund explodierender Preise, steigender Zinsen und zerschlagener Förderkulisse vor dem Kollaps. Wenn die Politik jetzt nicht gegensteuert, laufen wir sehenden Auges in einen Wohnungsnotstand. Wir brauchen jetzt eine zielgenau Neubauförderung, eine Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie steuerliche Anreize für Investitionen.“
Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB): „Der Bund – aber vor allem die Länder haben noch nicht das geliefert, was notwendig ist, um wirklich mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Es dürfen keine Luftschlösser, es müssen Wohnungen gebaut werden, damit die Meterinnen und Mieter nicht im Regen stehen. Bei den ambitionierten Zielen der Bundesregierung kommen wir daher am seriellen, industriellen Bauen nicht vorbei. Nur so können wir zügig, qualitativ hochwertig und kostengerecht zusätzlichen Wohnraum schaffen. Unsere Forderung ist klar und kostet keinen einzigen Cent extra. Nur den Mut und den Willen der Bundesländer. Denn sie müssen ihre Landesbauordnungen endlich harmonisieren, damit wir industrielle in Serie und mit einem technologieoffenen Mix an bewährten, recycelten und neuen Baumaterialien bundesweit bezahlbares Wohnen ermöglichen können.“
Carolin Hegenbarth, Bundesgeschäftsführerin Immobilienverband Deutschland (IVD): „Es ist keine Zeit mehr für lange Diskussionsrunden und den Versuch, es allen recht zu machen. Jetzt gilt es, alle Hürden, die dem zügigen Bau von bezahlbarem und bedarfsgerechtem Wohnraum im Wege stehen, abzubauen. Wir brauchen Planungssicherheit und ein investitionsfreundliches Klima für alle Akteure der Wohnungswirtschaft inklusive der privaten Bauherren. Jede zusätzliche Wohnung sorgt für Entlastung.“
ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa: „Wir brauchen eine konsistente und stimmige Baupolitik; dazu gehören auch verlässliche und auskömmliche Rahmen- und Förderbedingungen. Daher fordern wir die Wiedereinführung der ausgelaufenen Sonder-AfA im Mietwohnungsbau sowie für den sozialen Wohnungsbau die Entkoppelung der Förderung von dem KfW-40-Standard. Nur so werden wir mehr als die bisherigen 25.000 Sozialwohnungen jährlich bauen können."
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