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Sicherheit kritischer Infrastrukturen

Kolumne von Prof. Dr. Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, veröffentlicht in der Bayerischen Staatszeitung vom 05.01.2023

05.01.2023 - München

Sicherheit kritischer Infrastrukturen

"Durch Corona und insbesondere durch den Krieg in der Ukraine rücken die kritischen Infrastrukturen ins Bewusstsein von Politik, Medien und Bevölkerung. Aber sobald wir in die Bereiche der Übernahme von Verantwortung und Haftung kommen, fühlt sich niemand mehr zuständig. Es herrscht maximale Verantwortungsdiffusion", sagt Kammerpräsident Prof. Dr.-Ing. Norbert Gebbeken in unserer aktuellen Kolumne in der Bayerischen Staatszeitung.

Kommentar / Kolumne

Sicherheit kritischer Infrastrukturen

Die Sicherheit kritischer Infrastrukturen (KRITIS) ist eine Staatsaufgabe. „Staatsaufgabe Sicherheit“ hieß unlängst ein Bildungsforum. Da ich mich täglich u.a. mit der Sicherheit kritischer Infrastrukturen beschäftige, meldete ich mich mit großen Erwartungen zu dem Forum an. Denn auf dem Podium waren namhafte Vertreterinnen und Vertreter aus den Bereichen Staatsrecht, Medien und Politikwissenschaft. Ich lauschte den Vorträgen und Diskussionen und fragte mich im Laufe der Veranstaltung, wann es wohl etwas konkret werden würde.

Man wurde nicht konkret. Sicherheit wurde auf Nachfrage definiert als die „Abwendung der Gefahr für Leib und Leben“. Immerhin. Doch wie stellen wir mit dieser sehr allgemeinen Vorgabe Sicherheit tatsächlich her? Und so fragte ich, ob es nach Meinung der Vortragenden ein Maß für Sicherheit gibt. „Nein“ war die Antwort. Ich war sprachlos. Natürlich gibt es ein Maß für Sicherheit. Das liegt bezogen auf das Schutzgut Mensch global bei 10-4 bis 10-6. Ärmere Länder streben als Zielgröße 10-4 an, wirtschaftlich stärkere Staaten 10-6. Auf der Basis dieser Vorgaben berechnen MINT-Fachleute Sicherheitskonzepte.

Ich erkannte, dass es offensichtlich eine große Diskrepanz gibt zwischen denen, die maximal unkonkret ohne Haftungsrisiko theoretische Modelle und Philosophien aufstellen sowie ein journalistisches Meinungsbild zur Sicherheit abgeben und denen, die Sicherheit in der Praxis umsetzen (Blaulichtorganisationen und MINT-Fachleute) mit maximal konkreten Annahmen und Voraussetzungen und dann für die nachzuweisende Sicherheit von z.B. KRITIS auch noch haften.

Schon seit 30 Jahren beschäftigen wir uns wissenschaftlich wie praktisch mit der Sicherheit von KRITIS.

Durch Corona und insbesondere durch den Krieg in der Ukraine
rücken die kritischen Infrastrukturen nun ins Bewusstsein
von Politik, Medien und Bevölkerung.

Man fordert allenthalben, dass wir die KRITIS stärker sichern und resilienter machen müssen. Wer realisiert das? Hauptsächlich die MINT-Fachleute. Zur qualitativen und quantitativen Herstellung von Sicherheit müssen wir zuallererst die folgenden drei konkreten Fragen an die Verantwortlichen in der Gesellschaft stellen, also an die zuständigen Politiker und Politikerinnen.

  1. Sicher bezüglich welcher Bedrohung (Identifizierung der Gefahr und deren Quantifizierung)?

  2. Wie sicher (Quantifizierung)? Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es ja nicht.

  3. Wie resilient (Quantifizierung von Leistungsabfall und Dauer der Krise)?

Und jetzt wird es (regelmäßig) spannend, weil niemand, der die unkonkreten Forderungen nach Sicherheit und Resilienz stellt, die konkreten Fragen derjenigen beantworten mag, die Sicherheit und Resilienz herstellen müssen.

Sobald wir in die Bereiche der Übernahme von Verantwortung
und Haftung kommen, fühlt sich niemand mehr zuständig.
Es herrscht maximale Verantwortungsdiffusion.

Häufig heißt es dann, sie sind doch Experte, könnten sie nicht …. Nein! Das dürfen wir allein aus haftungsrechtlichen Gründen nicht. Denn hier geht es um Sicherheit für die Gesellschaft und um erhebliche Kosten. Und die Rechnungshöfe stehen immer in den Startlöchern und wittern die Verschwendung von Steuergeldern.

Wir kennen ein ähnliches Verhalten auch aus der Katastrophenvorsorge und bezeichnen es als Präventionsparadox. Wenn wir warnen, dann verunsichern wir die Bevölkerung und produzieren Kosten. Tritt die Katastrophe ein, dann wirft man uns vor, nicht deutlich genug gewarnt zu haben.

Mir wurde bei dem eigentlich wichtigen Forum „Staatsaufgabe Sicherheit“ klar, wie wichtig es doch ist, derartige Themen ganzheitlich und nicht isoliert zu betrachten. „Theoria cum Praxi“ war schon ein Leitspruch von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716).

Sicherheit und Resilienz kritischer Infrastrukturen. MINT - Wir. Machen. Das.


Kolumne von Prof. Dr. Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, veröffentlicht in der Bayerischen Staatszeitung vom 05.01.2023


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