14.03.2023 - Brüssel / Berlin
Das Europäische Parlament hat am 14. März 2023 in Straßburg seine Position zur Überarbeitung der Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie festgelegt. Die Ziele des Parlaments sind ambitioniert. Das EU-Parlament setzt durch Mindestanforderung für die Gebäudeenergieeffizienz auf eine Sanierungspflicht für die ineffizientesten Gebäude. Bau- und Immobilienindustrie sehen Chancen, aber auch Risiken.
„Für das Bauen im Bestand bringt die Sanierungspflicht einen großen Schub. Sie hat das Potenzial, die Sanierungsquote von aktuell circa einem Prozent endlich zu erhöhen und den Gebäudebestand effizienter zu machen. Aber: Sanierungen muss man sich leisten können, Hausbesitzer dürfen nicht überfordert werden. Für das Ziel der europäischen Politik, Gebäude auf diese Weise schrittweise in Richtung Klimaneutralität zu bringen, muss sie den politischen Preis zahlen. Das heißt, dass die finanziellen Mittel dafür auch bereitstehen müssen“, so Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie.
„Um Planungssicherheit für Unternehmen, Investoren und private Hausbesitzer zu erreichen, sollten die Parameter, welche Gebäude in welchem zeitlichen Rahmen betroffen sein werden, klar gesetzt werden. Staatliche finanzielle Unterstützung muss daraufhin zielgerichtet eingesetzt werden, um die Kostenbelastungen abzufedern. Darüber hinaus ist es wichtig, dass die Politik technische und administrative Hilfestellungen zur Umsetzung anbieten. Nur unter diesen Voraussetzungen kann die geplante Sanierungspflicht des Europäischen Parlaments schrittweise gelingen”, so Müller weiter.
Ein Schlüssel für eine effiziente Steigerung der Sanierungsquote sind vor allem Quartiersansätze, bei denen eine Vielzahl von Gebäuden saniert, an effiziente Heiz- und Kältesysteme und Netze angeschlossen oder Gemeinschaften zur Nutzung von erneuerbaren Energien aufgebaut werden. In Anbetracht knapper Ressourcen für die flächendeckende Sanierung muss ein besonderes Augenmerk auf diejenigen Quartiere gelegt werden, die sich effizient und unter Nutzung von Skaleneffekten im Rahmen von Lösungen des seriellen Sanierens ertüchtigen lassen. Nur mit einer umfassenden und technologieoffenen Strategie für den gesamten Gebäudebestand lassen sich die ambitionierten Klimaziele erreichen.
Quelle und Foto: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.
Gewerbeimmobilien nicht schlechter stellen
Der Zentrale Immobilien Ausschuss e.V. (ZIA) sieht in der heutigen Verabschiedung der Position des Europäischen Parlaments zur Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie die Chance, der europäische Klimaneutralität bis 2050 entscheidend näher zu kommen. Der ZIA weist zugleich jedoch auf die Gefahr hin, dass bei der Ausgestaltung der EPBD (Energy Performance of Buildings Directive) beim Anforderungsniveau Augenmaß verlorengeht.
„Gebäude emittieren etwa 38 Prozent des CO2 in der EU. Deshalb liegt hier eine zentrale Stellschraube des Green Deals“, sagt ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner. „Die Immobilienwirtschaft unternimmt immense Anstrengungen, um dieser Verantwortung gerecht zu werden und weitere Fortschritte zu erzielen.“ Zugleich sieht der ZIA aktuell Probleme, wenn die Fristen für die Mindesteffizienzstandards (MEPS) zu schnell kommen und zu ambitioniert sind. „Die EPBD greift mit den Mindesteffizienzstandards umfassend in den Gebäudebestand ein. Das erfordert eine differenzierte und sachgerechte Ausgestaltung – in ökonomischen Krisenzeiten gilt das erst recht“, mahnt Mattner.
Besonders kritisiert der ZIA die ungleiche Behandlung von Gewerbeimmobilien gegenüber den Wohnimmobilien bei den Mindesteffizienzstandards (MEPS). „Es wird suggeriert, dass die Einhaltung der MEPS bei Nichtwohngebäuden einfacher ist als bei Wohngebäuden“, sagt Mattner. „Das ist aber aufgrund der Komplexität und Heterogenität der Nichtwohngebäude nicht der Fall.“ Das müsse „unbedingt geändert werden“.
Von großer Bedeutung ist zudem die Mobilisierung privaten Kapitals für die Renovierungswelle. Daher weist der ZIA darauf hin, dass die Taxonomie stärker mit der EPBD zusammengedacht werden muss.
Quelle: Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Das Europäische Parlament will die Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden am Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestandes bis 2050 ausrichten. Nach den Vorstellungen des Parlaments sollen bis 2033 alle bestehenden Gebäude einer Energieeffizienzklasse D entsprechen. Bayerns Bauminister Christian Bernreiter warnt: „Die aktuellen Rahmenbedingungen für die Bau- und Wohnungswirtschaft sind alles andere als einfach. Steigende Zinsen und hohe Baupreise haben bereits zu einer erheblichen Verringerung der Bau- und Sanierungstätigkeit geführt. Die Kosten für das Bauen und Wohnen dürfen nicht durch überzogene Anforderungen immer weiter angehoben werden. Das Wohnen muss für die Menschen in Bayern und in Deutschland bezahlbar bleiben.“
Mit seinem Beschluss legt das EU-Parlament jetzt seine Positionen für die abschließenden Beratungen der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden im „Trilog“ mit Rat und Kommission fest. Schon vor einem Jahr hat Bayern seine Forderungen zusammen mit anderen Ländern in den Bundesrat eingebracht. Bernreiter: „Wirtschaftlichkeit, technische Realisierbarkeit und ein Vollzug ohne unnötigen bürokratischen Aufwand müssen Richtschnur für die Vorschriften sein. Die Beratungen auf EU-Ebene zeigen, dass die Bundesregierung das Anliegen der Länder auf EU-Ebene bisher nicht durchsetzen konnte. Wir erwarten, dass der Bund seiner Verantwortung gerecht wird und sich für Regelungen einsetzt, die weder Mieter noch Eigentümer überfordern. Freiwillige Ansätze sollen Vorrang vor gesetzlichem Zwang haben.“ Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) weist darauf hin, dass durch den Beschluss des EU-Parlamentes fast 45 Prozent der Wohngebäude in Deutschland innerhalb von 9 Jahren saniert werden müssten – angesichts fehlender Kapazitäten im Handwerk ein nicht umsetzbares Vorhaben.
Der Bundesrat hatte sich in seinem Beschluss vom 8. April 2022 für Regelungen ausgesprochen, die den Mitgliedstaaten Spielräume belassen, eigene Wege zum klimaneutralen Gebäudebestand festlegen zu können. Den nationalen Rahmenbedingungen könne so besser entsprochen werden. Sofern an Verpflichtungen zur Renovierung von Bestandsgebäuden festgehalten wird, soll die Renovierungspflicht von Wohngebäuden nach Auffassung des Bundesrates erst durch freiwillige Investitionsentscheidungen wie den Bestandserwerb, die grundhafte Sanierung von Gebäuden oder eine signifikante Erweiterung der Wohnfläche ausgelöst werden. Bernreiter: „Die Bundesregierung muss die vom Bundesrat gefassten Beschlüsse durchsetzen.“
Quelle: Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr
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