11.05.2023 - München
Eine stärkere Förderung von Recyclingbaustoffen fordert die Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V. (BVMB) und kritisiert die aktuelle Novellierung der Ersatzbaustoffverordnung, die zum 1. August in Kraft treten soll. Darin fehle nach wie vor eine Regelung, die klarstellt, wann die Abfalleigenschaft von Stoffen endet. Recyclingbaustoffe würden damit im Rechtssinne zum Teil noch als „Abfall“ gelten. Die Folge sei eine zu große Verunsicherung von Bauherren in Zusammenhang mit dem potenziellen Einbau von Baustoffen aus einer früheren Baumaßnahme.
Wenn zum 1. August die novellierte Ersatzbaustoffverordnung gültig wird, wird es neue Klarstellungen für den Vollzug der bestehenden Vorschriften geben. Die Anforderungen an Güteüberwachungsgemeinschaften werden ebenso intensiviert, wie Regelwerke aktualisiert wurden. „Der erforderliche große Wurf fehlt aber leider nach wie vor“, verweist BVMB-Hauptgeschäftsführer Michael Gilka auf ein entscheidendes Detail.
Auch im Rahmen der Überarbeitung der Verordnung habe die Bundesregierung erneut übersehen, klare Regelungen mit aufzunehmen, wann die Abfalleigenschaft von Materialien endet. „Das hat zur Folge, dass Bodenaushub auf der Baustelle zur Verfüllung wiederverwendet werden darf, dass dasselbe Aushubmaterial aber zu „Abfall“ wird, wenn er abtransportiert werden muss.“
Was auf den ersten Blick nach einem reinen bürokratischen Thema klingt, sei in der Praxis ein ernsthaftes Problem: „Wenn man es rechtlich genau nach den Buchstaben der Regelung betrachtet, baut ein Bauherr, der einen Recyclingbaustoff verwendet, unter Umständen offiziell Abfall in seinen Neubau ein“, erklärt Gilka die Zusammenhänge. Das sei ein „erheblicher Hemmschuh“ für Bauherren, Recyclingbaustoffe zu verwenden.
Gerade öffentliche Auftraggeber hätten hier massive Probleme. „Es ist doch nachvollziehbar, dass beispielsweise eine Gemeinde oder Stadt ihren Bürgern und besorgten Eltern schwer verkaufen kann, dass sie in den neuen Kindergarten im Rechtssinn Abfall eingebaut hat“, illustriert der BVMB-Vertreter die Zusammenhänge.
Wieder einmal sei eine Regelung „leider nicht bis zum Ende durchdacht“, beanstandet Michael Gilka. „Wer A sagt, muss auch B sagen“, ergänzt er. Der Einsatz von Recyclingbaustoffen ist nach Überzeugung der BVMB eine sinnvolle und wichtige Vorgehensweise, um Abfall zu vermeiden und CO2 zu sparen. Die Politik wünsche sich einerseits richtigerweise die Verwendung solcher Ersatzbaustoffe, schaffe dafür aber nicht das erforderliche Regelwerk. Ein allzu einseitiges Setzen auf eine reine Holzbauweise ist nach Überzeugung des Verbands „zu kurz gesprungen“. Stattdessen brauche es ganzheitliche Lösungen für dieses Problem.
Quelle: Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V., Foto: Hans Linde / Pixabay
„Es ist kein gutes Zeichen, wenn Verordnungen bereits vor Inkrafttreten novelliert werden müssen. Mehr noch: Mit der Ersatzbaustoffverordnung werden die gesteckten Erwartungen hinsichtlich der Kreislaufwirtschaft insgesamt nicht erfüllt. Vielmehr steuern wir auf einen undurchdringbaren Dschungel an Nachweisen, Rechtsunsicherheiten und unterschiedlichen Auslegungen in allen 16 Bundesländern zu, die komplett an der Baupraxis vorbeigehen. Dadurch werden nicht nur Kosten und Zeitaufwände erhöht. Ich gehe auch stark davon aus, dass künftig sogar mehr Ressourcen auf die Deponien gefahren werden als heute“, kritisiert Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie.
Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt, dass Ersatzbaustoffe bis zum Einbau weiterhin grundsätzlich als Abfall gelten sollen, mit allen abfallbezogenen Rechtspflichten wie etwa einer Anzeigepflicht für Transporte und potenzieller Genehmigungspflicht von Zwischenlagern. Eine von Bundesumweltministerin Steffi Lemke angekündigte Abfall-Ende-Verordnung, die dazu dienen sollte, die Stigmatisierung wichtiger Rohstoffe aufzulösen, liegt trotz Festlegung im Koalitionsvertrag nicht vor. „Gerade diese Stigmatisierung führt dazu, dass öffentliche Auftraggeber Recyclingmaterialien weiterhin explizit von ihren Ausschreibungen ausschließen. So kommt die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen aber nicht voran“, so Müller.
Quelle: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.
Zwar beinhalten die vorgesehenen Änderungen Klarstellungen für den Vollzug und Aktualisierungen der Verweise auf Regelwerke, es wurden aber auch umfangreiche Anforderungen an Güteüberwachungsgemeinschaften neu aufgenommen. „Was aber nach wie vor fehlt, das sind klare und praktikable Kriterien zum Abfallende“, kommentierte der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe Felix Pakleppa die Verabschiedung der ersten Novelle zur Ersatzbaustoffverordnung.
„Bundesweit zu regeln, dass gütegesicherte Ersatzbaustoffe kein Abfall mehr sind, sondern hochwertige Bauprodukte – das wäre der entscheidende Baustein für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft und die Förderung des Einsatzes von Recyclingbaustoffen in der Bauwirtschaft gewesen. Auch der Versuch, die Ersatzbaustoffverordnung durch Klarstellungen praxistauglicher für die Anwender und den behördlichen Vollzug zu gestalten, ist nicht wirklich gelungen“, so Pakleppa weiter.
Der ursprüngliche Regierungsentwurf der Ersatzbaustoffverordnung vom Mai 2017 sah noch einige Kriterien zum Abfallende vor, die jedoch vom Bundesumweltministerium zurückgenommen wurden. Ohne eine Regelung zum sogenannten Abfallende verbleiben Ersatzbaustoffe bis zum Einbau im Abfallrecht und werden sich als gleichwertige Bauprodukte am Markt nicht durchsetzen. „Welcher Bauherr wird in seinem Bauvorhaben Recyclingmaterial verwenden, wenn er damit rechtlich gesehen Abfall verbaut? Die Akzeptanz dieser Materialien steht und fällt mit der Gütesicherung für Ersatzbaustoffe und dem daran gekoppelten Ende der Abfalleigenschaft. Das schont Ressourcen und stärkt eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft! Dafür fordern wir so schnell wie möglich die Vorlage einer Verordnung zum Abfallende“, so Pakleppa abschließend.
Quelle: Zentralverband Deutsches Baugewerbe
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