12.09.2023 - Dübendorf, Schweiz
Die Schweiz ist gebaut, zumindest was das Straßennetz anbelangt. Daher fällt heute trotz Recycling deutlich mehr Ausbauasphalt an, als in neuen Straßen wieder eingebaut werden kann. Empa-Forscher Martins Zaumanis hat sich zum Ziel gesetzt, die Recycling-Anteile im Asphalt zu erhöhen – mit angepassten Herstellungsmethoden und einfachen Anleitungen. Zwei Teststrecken mit Recycling-Asphalt in Uster und auf dem Lukmanierpass sind vielversprechend.
Im Frühjahr sprießen nicht nur Schneeglöckchen und Krokusse, sondern auch die Baustellen auf den Schweizer Straßen. Allerorts wird ausgebessert, geflickt und erneuert. Ein Teil des alten Asphalts aus dem Schweizer Straßennetz wird rezykliert, rund 750'000 Tonnen allerdings landen jährlich auf den Deponien und türmen sich dort zu immer höheren, schwarzen Bergen. Grundsätzlich sind sich Bund und Kantone, die großen Straßeneigentümer, einig: Diese Asphaltberge sollen zurück ins Schweizer Straßennetz. Doch die Schweiz ist derart gut erschlossen, dass kaum noch neue Straßen gebaut werden.
Umso wichtiger ist es also, dass dort, wo ausgebessert, geflickt und erneuert wird, der Anteil an Recycling-Asphalt möglichst hoch ist. „Dazu braucht es aber ein besseres Verständnis vom Zusammenspiel von Ausbauasphalt und neuem Material, angepasste Produktionsprozesse und – vor allem – praxisnahe Anleitungen und Instrumente für die Industrie“, sagt Empa-Forscher Martins Zaumanis. Genau diese Ziele setzte sich das Forschungsprojekt „HighRAP“, das Zaumanis gemeinsam mit dem Bundesamt für Straßen (ASTRA), dem Bundesamt für Umwelt (BAFU), den Kantonen Zürich und Graubünden und mehreren Industriepartnern von 2019 bis Anfang 2023 durchgeführt hat.
Asphalt besteht aus einer Gesteinsmischung und dem Bindemittel Bitumen, das für hochbelastete Straßen teilweise mit Polymeren modifiziert wird. Die bisherigen Einschränkungen bei der Nutzung von Ausbauasphalt (RAP – „Reclaimed Asphalt Pavement“) zum Bau neuer Straßen gründen vor allem darauf, dass das Bindemittel im Asphalt im Laufe der Zeit altert und damit steif wird. Das führt zu einer Anfälligkeit für Risse. Zudem kann es sein, dass sich während dem Mischprozess das alte Material nicht gut mit dem neuen vermischt. Ein weiteres Problem stellt die oft fehlende Homogenität von RAP dar: Materialien aus unterschiedlichen Straßenschichten und unterschiedlichen Alters kommen zusammen, verschiedene Granulatgrößen treffen aufeinander. Die Herstellung eines Hochleistungsasphalts verlangt aber nach Kontinuität. Es gibt ausgewiesene Designmethoden für die Mischgutentwicklung und standardisierte Tests für die Qualitätskontrolle. Nur: Beim Hinzufügen von Ausbauasphalt in die bestehenden Produktionsprozesse gelangen die bewährten Methoden an ihre Grenzen.
Um den RAP-Gehalt generell zu erhöhen, bedarf es also Neuerungen auf mehreren Ebenen – unter anderem beim Ausbau des alten Asphalts und bei dessen Aufbereitung. Asphalt wird in der Regel von der Straße gefräst oder gebrochen und anschließend zerkleinert. „Im besten Fall bleibt die ursprüngliche Gesteinskörnung dabei unversehrt, und es entsteht möglichst wenig Staub, sogenanntes Füllermaterial“, erklärt Zaumanis. Denn diese zwei Faktoren erschweren eine Wiederverwendung. In seiner Studie stellt er basierend auf Praxistests neue Kriterien vor, die eine Charakterisierung der RAP-Verarbeitung vereinheitlichen und dadurch die Wiederverwendung vereinfachen sollen. Neben Körnung und Staubanteilen sind aber vor allem auch der ursprüngliche Bitumengehalt und dessen Eigenschaften entscheidend und können sich je nach Quelle stark unterscheiden. Zaumanis liefert deshalb ein einfaches Rechenmodell für Praktikerinnen und Praktiker, das die zulässige Variabilität je nach künftiger Anwendung festlegt.
Ein ähnlich pragmatisches Rechenmodell legt er auch für die Dosierung des „Verjüngungsmittels“ vor. Das sind ölige Stoffe, die das alte Bindemittel im Ausbauasphalt erweichen und damit wieder nutzbar machen. Diese Verjüngungsmittel basieren zum Beispiel auf Tallöl, einem biologischen Nebenprodukt aus der Papier-Herstellung.
Die Produktion von Asphalt mit RAP ist aufgrund dieser Vielzahl an unterschiedlichen Materialien und Stoffen, die miteinander vermischt werden, deutlich komplexer als die Herstellung von neuem Asphalt. Dazu kommt die Unsicherheit über die tatsächlichen Eigenschaften der Materialien und deren Zusammenspiel. „Das Vorgehen nach Rezeptbuch, wie das beim traditionellen Mischgutdesign gehandhabt wird, greift deshalb zu kurz“, so Zaumanis. Vielmehr schlägt er vor, leistungsorientierte Testmethoden in den Prozess einzubinden, um das Material auf Rissbildung oder plastische Verformung hin zu untersuchen.
„Letztlich sind es aber vor allem erfolgreiche Pilotprojekte und reale Teststrecken, die den Straßeneigentümern und den Straßenbauern das Vertrauen in Asphalt mit einem hohem RAP-Gehalt geben können“, sagt der Empa-Forscher. Aus diesem Grund ist im Rahmen seines Projekts auf zwei Straßenabschnitten „HighRAP-Asphalt“ eingebaut worden – einerseits auf der vielbefahrenen Aathalstraße in Uster und andererseits auf der Lukmanierpassstraße, wo aufgrund der Höhenlage wieder deutlich andere Anforderungen an den Straßenbelag gelten.
In Uster konnten in der Deckschicht problemlos 30 % RAP-Gehalt ohne Leistungseinbußen eingebracht werden. „Typischerweise wird heute für eine derart stark befahrene Straße in der Deckschicht komplett auf RAP verzichtet“, erklärt Zaumanis. Bei der darunterliegenden Binderschicht zeigte sich in Uster, dass zwischen 40 und 50 % RAP möglich sind. In beiden Fällen kommt standardmäßig Asphalt mit polymermodifiziertem Binder zum Einsatz. „Um den RAP-Gehalt noch mehr zu erhöhen, könnte man hoch-polymermodifiziertes Bindemittel einsetzen. Das würde den Mangel an Polymeren im RAP-Bindemittel ausgleichen“, meint Zaumanis.
Im Gegensatz zur Straße in Uster ist die Strecke über den Lukmanierpass zwar nicht starkem Verkehr ausgesetzt, dafür umso raueren klimatischen Bedingungen. „In dieser Höhenlage von 1900 Metern können die starken Temperaturschwankungen Risse im Straßenbelag bewirken“, so Zaumanis. Dass aber auch ein Asphalt mit hohem RAP-Gehalt diesen Bedingungen trotzen kann, zeigte er in seinem Projekt. Eingebaut wurde ein Asphalt mit 85 % RAP-Gehalt in der Fundationsschicht und ein Asphalt mit 70 % RAP-Gehalt in den darüber liegenden Trag- und Binderschichten: ohne Probleme! Nach Tests im Labor zeigten sich die Beläge insbesondere auch sehr resistent gegenüber der befürchteten Rissbildung aufgrund von Temperaturschwankungen.
Die beiden Teststrecken in Uster und auf dem Lukmanierpass werden in den kommenden Jahren weiter überwacht und dienen dazu, das langfristige Verhalten der eingebrachten RAP-Asphalte zu untersuchen. Martins Zaumanis ist aber bereits heute optimistisch, dass die schwarzen Berge auf den Deponien in den kommenden Jahren nicht mehr allzu weit anwachsen dürften. Zum einen wegen Projekten wie dem seinen, das die technologischen Möglichkeiten demonstriert, zum anderen aber auch, weil auf der politischen Ebene bereits Rufe nach einem Deponierverbot für Ausbauasphalt laut geworden sind. Damit sollen die Anreize für eine komplette Weiterverwertung von Ausbauasphalt gesteigert werden.
Weitere Infos
Quelle und Fotos: Empa, Überlandstraße 129, 8600 Dübendorf, Schweiz
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