31.10.2023 - Berlin/Darmstadt
Gebaut: Zwölf Meter hohe Bauteile aus sogenanntem Stampflehm mit einer Dämmebene aus recyceltem Schaumglasschotter sorgen beim Alnatura-Bürogebäude in Darmstadt für zeitgemäße Dämmwerte. Konzeptionell gefördert wurde die Innovation von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). © Lars Gruber/Alnatura
Natürliche Baustoffe helfen, den Mietwohnungsbau erschwinglich zu gestalten und den Treibhausgasausstoß zu verringern: Ein durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördertes Forschungsprojekt zeigt, dass sich Betriebs- und Instandhaltungskosten verringern lassen, indem durch klimaregulierende Baustoffe wie Holz und Lehm sowie durch kluge Planung aufwändige Gebäudetechnik verzichtbar wird. Wie viel Potenzial im Baustoff Lehm steckt, beweist Europas größter Lehmbau in Darmstadt, der ebenfalls mit DBU-Unterstützung entstanden ist.
Seit Jahren steigen die Baukosten. Laut Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßesBauen ist die stärkste Kostenentwicklung im Bereich der Bauwerkskosten seit dem Jahr 2000 im technischen Ausbau festzustellen, unter anderem durch die Anforderungen zu mehr Energieeffizienz.
„In Zeiten der Klimakrise muss energieeffizientes Bauen und Wohnen schnell vorangebracht werden“, sagt DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. Doch Lüftungs- und Klimatechnik seien kostenintensiv. Erstmals zeigt nach Bondes Worten ein DBU-gefördertes Projekt, dass bei Einsatz natürlicher Baustoffe diese Technik reduziert werden kann. „Holz und Lehm puffern Feuchtigkeit. Zusammen mit intelligenter Haustechnikplanung lässt sich mit solchen nachhaltigen Materialien ein gutes Raumklima in Gebäuden unterstützen“, so der DBU-Generalsekretär.
Dadurch könne an Klimatechnik gespart werden. Zudem bieten diese Baustoffe laut Bonde „hervorragende Möglichkeiten für kreislaufgerechtes Bauen. Bauelemente und Baustoffe wie Holz und Lehm lassen sich gut wieder- oder weiterverwenden. Das schont Ressourcen.“ Allein im Jahr 2018 fielen laut Umweltbundesamt aus Bauschutt und Straßenaufbruch 73,9 Millionen Tonnen mineralische Abfälle an.
Das Institut für Architektur an der TU Berlin forscht schwerpunktmäßig an sogenannten Low-Tech-Gebäuden. Institutsleiter Prof. Eike Roswag-Klinge sieht neben der Kostensteigerung ein weiteres Problem der zunehmenden Technisierung: „Je komplexer die Technik, desto größer ist das Fehlerrisiko bei der Nutzung.“ Die vergangenen Jahre zeigen nach seinen Worten, dass die angestrebten Energieeinsparungen im Mietwohnungsbau noch nicht erreicht werden. Roswag-Klinge: „Die mechanischen Lüftungsanlagen führen regelmäßig zu sehr trockener Raumluft im Winter.“
Die Folgen: Die Bewohner stellen die Fenster auf Kipplüftung, um die gefühlt schlechte Luftqualität zu verbessern. „Das steigert den Energiebedarf und zugleich die Nebenkosten“, so Roswag-Klinge. Zudem müssten technische Anlagen gewartet, repariert und relativ oft ausgetauscht werden.
Im Vorhaben wurde erstmals durch Computer-Simulationen nachgewiesen, „dass energieeffiziente Nutzung auch ohne kostenintensive Klima- und Gebäudetechnik möglich und so der Mietwohnungsbau erschwinglicher ist“, so Roswag-Klinge. „Denn sowohl Holz- als auch Ziegelkonstruktionen können mit einer Lehmputzbeschichtung Raumluftfeuchte und Wärme entsprechend gut aufnehmen und wieder abgeben.“ Kombiniert mit kurzen Stoßlüftungen über die Fenster morgens und abends könne zudem eine Schimmelbildung sicher ausgeschlossen werden.
Zusätzlich wurde anhand von konzeptionell entwickelten Vergleichshäusern gezeigt, dass der Bau mit natürlichen Materialien wie Holz, Ziegel und Lehm den Treibhausgasausstoß im Vergleich zum Wohnungsbaugesellschaft-Typenhaus aus Beton und Stahl deutlich verringert. „Beim Einsatz von Holz wird das Haus zum Kohlenstoff-Speicher, der schon während des Baumwachstums entsteht“, sagt Sabine Djahanschah, Leiterin des DBU-Referats Zukunftsfähiges Bauwesen. „Beim Typenhaus aus Holz lässt sich deshalb im Vergleich zur Bauweise mit Beton und Stahl 160 Kilogramm Kohlendioxid (CO2) pro Quadratmeter einsparen.“
Laut der Statistik-Online-Plattform Statista betrug die durchschnittliche Wohnfläche pro Wohnung in Deutschland im Jahr 2021 rund 92,1 Quadratmeter. Ein Holzbau dieser Größe würde verglichen zur Bauweise mit Beton und Stahl etwa 14,7 Tonnen Kohlendioxid einsparen. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Pro-Kopf-CO2-Fußabdruck in Deutschland beträgt laut Bundesumweltministerium 10,5 Tonnen CO2 pro Jahr.
„Das Potenzial natürlicher Baustoffe ist enorm“, so Bonde. „Passt sich der Bausektor schnell an, kann er erheblich zum Erreichen der nationalen Klimaziele beitragen.“ In einem von der DBU geförderten Folgeprojekt wird das Institut Architektur der TU Berlin die Typenhäuser in Holz-Lehm- und Ziegel-Holz-Bauweise bei der Errichtung begleiten.
Ein bereits errichtetes und in der Konzeption von der DBU gefördertes Gebäude zeigt, dass Lehm ein echtes Multitalent für nachhaltiges und modernes Bauen ist. „Beim Geschäftsgebäude der Firma Alnatura in Darmstadt wurden erstmalig zwölf Meter hohe Bauteile aus sogenanntem Stampflehm verwendet, in denen eine Dämmebene aus recyceltem Schaumglasschotter integriert ist“, so Djahanschah. „Während dadurch zum einen zeitgemäße Dämmwerte erreicht werden, verbessern die innenliegenden Oberflächen zugleich das Raumklima.“
Das Gebäude – Europas größter Lehmbau – funktioniere mit maximal natürlicher Belüftung sowie optimiertem Innenraumkomfort mit geringem Energieverbrauch. Die Fördersumme der Deutschen Bundesstiftung Umwelt beträgt für alle dargestellten Projekte insgesamt mehr als 1,1 Millionen Euro.
Kontakt bei fachlichen Fragen (AZ 37391/01+02):
Prof. Eike Roswag-Klinge, Tel. +49 303 142 1883
Weitere Informationen zum Projekt AZ 32312/01+02 (Alnatura-Bürogebäude) finden Sie hier und hier.
Quelle: Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), Fotos: Lars Gruber/Alnatura; ARGE ZRS + BFM
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