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Breites Bündnis fordert Genehmigungspflicht für Gebäudeabrisse von der Bauministerkonferenz

Allianz gegen willkürliche Abrisse

17.11.2023 - Berlin

Breites Bündnis fordert Genehmigungspflicht für Gebäudeabrisse von der Bauministerkonferenz

Zum Start der 75. Bauministerkonferenz am 22. November fordert eine breite gesellschaftliche Allianz in einem offenen Brief konkrete Sofortmaßnahmen gegen den bundesweiten Abrisswahn. Die Organisationen fordern eine Genehmigungspflicht für Abrisse von Bestandsgebäuden basierend auf einer Prüfung der Umwelt- und Klimawirkung. Diese müsse in der Musterbauordnung und den Landesbauordnungen festgeschrieben werden. Zudem müssen Altbausanierung und Umbau im Bestand erleichtert und gezielt gefördert werden.

Zur Allianz gehören die Deutsche Umwelthilfe (DUH), Architects for Future (A4F), WWF Deutschland, der Deutsche Mieterbund (DMB), der Sozialverband VdK Deutschland (VdK) und der Paritätische Gesamtverband sowie zahlreiche weitere Unterstützerinnen und Unterstützer.

Offener Brief Gebäudeabrisse

Auszug aus dem offenen Brief

Aus ökologischen und sozialen Gesichtspunkten ist es dringend erforderlich, willkürliche Abrisse zu verhindern und gleichzeitig Klima‐ und Umweltschutz sowie den Erhalt von bezahlbarem Wohnraum zu gewährleisten. Der tatsächlich notwendige Neubau muss klima‐ und umweltgerecht, ressourcensparend und kreislauffähig sowie barrierefrei realisiert werden. Deshalb fordert die Allianz im Rahmen der Bauministerkonferenz eindringlich dazu auf, folgende zentrale Rechtsgrundlagen in der Musterbauordnung und in Folge in den Landesbauordnungen zu schaffen:

1. Festschreibung einer verpflichtenden Abrissgenehmigung für Bestandsgebäude in der Musterbauordnung (MBO § 80, 61) und in den Landesbauordnungen

Abrisse müssen auf der Grundlage einer Prüfung der Umwelt‐ und Klimawirkung (Ökobilanzierung) genehmigungspflichtig werden. Erst wenn die Ökobilanzierung aufzeigt, dass unter Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus ein Abriss und Neubau ökologischer sind als ein Umbau bzw. eine Sanierung, ist ein Abriss zu bewilligen. Eine Bewilligungspflicht für den Abriss stellt sicher, dass jedem Abriss eine sorgfältige Prüfung durch Bauherr:innen und Behörden vorausgeht. Ausnahmetatbestände sollten für Gebäude bestehen, die nicht sanierungsfähig sind oder (auch nach/trotz einer Sanierung) nicht mehr nutzbar sind. Härtefälle sollten ebenfalls einer besonderen Regelung zugeführt werden. Solche Härtefälle könnten insbesondere dann bestehen, wenn soziale Gründe dafür bestehen, oder wenn die Ökobilanz nur sehr „knapp“ negativ ausfällt, die Sanierung aber mit deutlich höheren Kosten verbunden ist als der Abriss und Ersatzneubau. Die Abrissgenehmigung sollte nur erteilt werden dürfen, wenn ein Rückbau‐, Wiederverwendungs‐ und Recyclingkonzept vorliegt.

Mehrere Rechtsgutachten belegen, dass eine allgemeine Genehmigungspflicht für Gebäudeabrisse gekoppelt an eine Analyse der Ökobilanzierung verfassungsrechtlich zulässig und von den Bundesländern direkt und sofort umsetzbar ist. Mit der Verankerung einer solchen Genehmigung in den Bauordnungen können die Bundesmittelbaren und schnellen Beitrag zu Klima‐ und Ressourcenschutz sowie zur Förderung der sozialen Gerechtigkeit leisten.

2. Erleichterung von Umbau und Umnutzung des Bestands in der Musterbauordnung und den Landesbauordnungen

Die aktuellen Vorschriften in den Bauordnungen erschweren den Erhalt und die Weiterentwicklung des Bestands deutlich. Das Bauen im Bestand (insbesondere Umnutzung, Umbau, Aufstockung) muss durch vereinfachte Genehmigungen gefördert werden, zum Beispiel durch den Entfall des Stellplatznachweises oder eine Flexibilisierung hinsichtlich der Abstandsflächen. Zudem soll der Genehmigungsprozess beschleunigt werden, indem Standardlösungen, zum Beispiel in Bezug auf Schallschutz und Brandschutz, erlaubt werden. Diese Standardlösungen können bspw. einem Anforderungskatalog entsprechen, der eine praxistaugliche Lösung vorschlägt. (Weiteres vgl. Vorschlag „Umbauordnung“, Architects for Future Deutschland e.V., 2021; Offener Brief zur Umbauordnung des DiVB, 2023; Vorschlag zur Änderung der Musterbauordnung, BAK, 2023)

Mit dem 75‐jährigen Jubiläum hat die Bauministerkonferenz eine historische Chance, die dringend erforderliche sozial und ökologisch nachhaltige Bauwende endlich konsequent anzugehen. Deshalb fordert die Allianz dazu auf, umgehend eine Novelle der Musterbauordnung auf den Weg zu bringen, die willkürliche Gebäudeabrisse verhindert und das Bauen sowie Sanieren im Bestand gleichermaßen und zielgerichtet fördert. Die Allianz würde sich sehr über die Möglichkeit freuen, die Vorschläge näher zu erläutern und steht für einen konstruktiven Dialog und weitere Zusammenarbeit zur Verfügung.

Stimmen der Allianzpartner

Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin DUH: „Indem die Bauministerinnen und Bauminister eine Genehmigungspflicht für Abrisse vereinbaren, können sie mit einem Federstrich für mehr bezahlbaren Wohnraum und mehr Klimaschutz im Gebäudebereich sorgen. Die sozialen und ökologischen Auswirkungen von willkürlichen Gebäudeabrissen sind dramatisch. Sie führen zur Verschwendung großer Mengen der verbauten ‚Grauen Energie‘ – also der Energie, die für Bau, Herstellung und Transport aufgewendet werden musste – und befeuern gleichzeitig die Wohnungskrise durch Vernichtung von bezahlbarem Wohnraum. Gebäude sollen im Normalfall nur abgerissen werden dürfen, wenn Abriss und Neubau tatsächlich ökologischer sind als die Sanierung.“

Christina Patz, Koordinatorin Bauen im Bestand bei A4F: „Jeder Neubau verursacht zusätzliche Emissionen, die wir uns mit Blick auf die 1,5 Grad Grenze nicht mehr leisten können. Ein Großteil der Politik propagierten 400.000 Wohnungen können im Gebäudebestand geschaffen werden - durch Aktivierung von Leerstand und „unsichtbarem Wohnraum“, Umnutzung, Umbau und Aufstockungen. Kombiniert mit energetischer Sanierung werden so Emissionen reduziert, statt zusätzlich emittiert und keine weitere Flächen versiegelt. Lösungen sind vorhanden - es geht darum ins Handeln zu kommen. Dazu werden dringend gesetzliche Rahmenbedingungen benötigt, etwa Bauordnungen, die das Bauen im Bestand als neues Normal anerkennen und so sozial und ökologisch verträgliche Wohnraumschaffung im Bestand durch Umbau, Umnutzung und Aufstockung erleichtern.“

Dr. Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin DMB: „Bezahlbarer Wohnraum muss dringend erhalten anstatt abgerissen werden. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist dramatisch, Mieterinnen und Mieter leiden unter rasant steigenden Mieten und Wohnkosten und dem massiven Verlust von bezahlbarem Wohnraum sowohl im Bestand als auch im Neubau. Die Bauministerinnen und Bauminister der Länder müssen mit ihrer Wohnungspolitik mit gutem Beispiel vorangehen und dem Gebaren renditeorientierter Unternehmen Einhalt gebieten, indem endlich wieder die Interessen der Menschen in den Mittelpunkt gestellt werden, die in diesen Häusern leben. Daher braucht es eine bessere Prüfung und strengere Genehmigung von Abrissen, gerade in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt.“

Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands: „Der willkürliche Abriss von Wohngebäuden vernichtet vielfach dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum. So werden einkommensschwache Mieter:innen und Familien aus ihrem Zuhause und ihrer Nachbarschaft verdrängt, weil sie die Mietpreise im Neubau nicht bezahlen können. Stattdessen brauchen wir mehr sozialverträgliche Sanierung, damit Wohnen bezahlbar bleibt und zugleich lebenswerter und ökologischer wird.“

Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland: „In Deutschland fehlt es flächendeckend an Wohnungen, und das Problem droht sich weiter zu verschärfen. Deshalb darf es keine willkürlichen Abrisse von bestehendem Wohnraum mehr geben. So kann in vielen Fällen bezahlbarer Wohnraum erhalten werden. Tatsächlich notwendige Neubauten müssen immer barrierefrei gestaltet sein, denn der steigende Bedarf kann schon heute bei weitem nicht gedeckt werden. Die Umsetzung ist keine Frage der Kosten, sondern des politischen Willens. Denn unter dem Strich ist der Bau von barrierefreien Wohnungen günstiger als Geld in komplizierte Umbaumaßnahmen von Bestandsbauten zu investieren.“

Kathrin Samson, Vorstand Naturschutz International und Deutschland beim WWF: „Der Gebäudebereich ist das Sorgenkind des Ressourcen- und Klimaschutzes. Im Gegensatz zu Neubauten trägt jedes erhaltene und sanierte Gebäude wie keine andere Maßnahme zum Ressourcen- und Flächenschutz bei. Eine Genehmigungspflicht für den Abriss von Bestandsgebäuden in der Novelle der Musterbauordnung ist ein kleiner Schritt mit großer Wirkung. Die Baubranche produziert mehr als die Hälfte des Abfalls in Deutschland. Alle Ressourcen, die wir durch Sanieren erhalten oder durch Kreislaufwirtschaft weiterverwenden, entlasten Klima und Natur.“

Download

Offener Brief Gebäudeabrisse

Quelle: Deutsche Umwelthilfe (DUH), Foto: focus finder / Adobe Stock

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