13.02.2024 - München
Das Bayerische Bauministerium und das Bayerische Innenministerium informieren mit zwei Schreiben, unter welchen Voraussetzungen die geschätzten Auftragswerte unterschiedlicher Planungsleistungen im Rahmen eines Bauprojekts weiter nicht addiert werden müssten. Angelehnt an die Rechtsprechung des EuGH komme es demnach darauf an, ob ein enger funktionaler Zusammenhang zwischen den einzelnen Planungsleistungen bestehe. In diesem Fall seien die geschätzten Auftragswerte der Planungsleistungen zu addieren.
"Die Schreiben des Bayerischen Bauministeriums vom 18.12.2023 und des Bayerischen Innenministeriums vom 31.01.2024 leisten, auch wenn man sie für Vergaben oberhalb von 5.538 Mio. € anwendet, unserer Ansicht nach einer nicht zielführenden Vergabe von Planungsleistungen im offenen Verfahren oder als Generalplanung Vorschub. Beides ist Gift für die mittelständische Planungs- und Bauwirtschaft. Gerade jetzt, wo der private Baumarkt nahezu zum Erliegen gekommen ist, kann eine Steigerung der Generalplanervergaben unserer kleinteiligen Planungslandschaft den Todesstoß versetzen. Das wäre besonders fatal, da sich diese kleinen Büroeinheiten als sehr resilient in Krisenzeiten erwiesen haben“, sagt Dr.-Ing. Werner Weigl, 2. Vizepräsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau.
Ein neues Gutachten im Auftrag von BIngK, BAK, AHO und VBI kommt zu dem Ergebnis, dass die Möglichkeit einer gemeinsamen Vergabe von Planungs- und Bauleistungen als „Bauauftrag“ kombiniert mit der anschließenden losweisen Vergabe dieser Leistungen rechtlich zulässig und umsetzbar ist. Das Rechtsgutachten wurde von Prof. Dr. jur. Martin Burgi, dem Leiter der Forschungsstelle für Vergaberecht und Verwaltungskooperationen an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, verfasst.
Hier haben wir Ihnen die Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 18.12.2023 und des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration vom 31.01.2024 im Wortlaut und zum Download bereitgestelt:
Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 18.12.2023
E-Mail
Regierungen
Staatliche Bauämter
Landesbaudirektion
Wasserwirtschaftsämter
nachrichtlich
Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration
Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft,
Landesentwicklung und Energie
Landesamt für Umwelt
Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bauen und
Verkehr, Abt. 1 und 4
Bayer. Landeskraftwerke GmbH
WIGES Wasserbauliche Infrastrukturgesellschaft
mbH
Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Abt. 5
Sehr geehrte
Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
mit Inkrafttreten der Verordnung zur Anpassung des Vergaberechts an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare („e-Forms“) für EU-Bekanntmachungen und an weitere europarechtliche Anforderungen am 24. August 2023 (vgl. BGBl. 2023 I Nr. 222 vom 23.08.2023) ist die Regelung des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV entfallen.
Unter welchen Voraussetzungen nunmehr eine Addition der Auftragswerte von Planungsleistungen für eine Baumaßnahme vorzunehmen ist, ist weder im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) noch in der Vergabeverordnung (VgV) ausdrücklich geregelt. Das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat sowohl in der Verordnungsbegründung als auch in seinen klarstellenden Erläuterungen vom 23. August 2023 darauf hingewiesen, dass hierfür jeweils eine funktionale Betrachtung anzustellen ist (vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 15.03.2012, C-574/10 – Autalhalle).
Gemäß § 3 Abs. 7 S. 1 VgV ist der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen, wenn das beabsichtigte Bauvorhaben oder die vorgesehene Erbringung einer Dienstleistung zu einem Auftrag führen kann, der in mehreren Losen vergeben wird.
Danach besteht in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGHs eine Additionspflicht dann, wenn ein enger funktionaler Zusammenhang zwischen den Planungsleistungen besteht.
Grundsätzlich sind dabei die unterschiedlichen Planungsleistungen im Rahmen eines Bauprojekts mit Blick auf ihre jeweilige konkrete Funktion (z. B. Gebäudeplanung, Erstellung einer Statik, Planung einer Technischen Gebäudeausrüstung) einzeln zu betrachten.
Jedenfalls dann, wenn die Planungsleistungen lückenlos aufeinander abgestimmt und optimiert sein müssen, um eine Einheit ohne Schnittstellen zu bilden, besteht ein derart enger funktionaler Zusammenhang in obigem Sinne und die Auftragswerte der betroffenen Planungsleistungen sind zusammenzurechnen (vgl. OLG München, Urteil vom 13.03.2017, Verg 15/16).
Ein derart enger Zusammenhang wird z. B. gegeben sein bei:
In diesen und vergleichbaren Fällen wird eine Additionspflicht für diejenigen Leistungen bestehen, bei denen ein solch enger Zusammenhang gegeben ist. Dann müssten z. B. Gebäudeplanung und Technische Gebäudeausrüstung/Tragwerksplanung addiert werden.
Vor diesem Hintergrund sollte in diesen Fällen auch in den Vertragsunterlagen der betroffenen Leistungsbilder die Regelung unter § 5 Nr. 5.9 wie folgt ergänzt werden:
5.9 Koordination
….
Zusätzlich bedingen die spezifischen
Anforderungen der vertragsgegenständlichen Aufgabenstellung, dass bestimmte
Leistungen in einem sehr engen funktionalen Zusammenhang stehen. Im Rahmen der
Koordinierungs- und Integrationsaufgaben ist es deshalb erforderlich, entsprechende Beiträge an der Planung
fachlich Beteiligter speziell zu überwachen und zu integrieren, so dass
eine lücken- und schnittstellenlose, optimal
aufeinander abgestimmte sowie
kohärente Gesamtplanung
gewährleistet ist. Dies betrifft insbesondere die nachfolgend aufgeführten
Leistungen bzw. Leistungsbilder:
………
Zumeist werden in solchen Fällen gleichzeitig auch technische Gründe im Sinne von § 97 Abs. 4 S. 3 GWB vorliegen, die die Zusammenfassung der betroffenen Leistungen und dadurch eine Vergabe an einen (Teil-)Generalplaner ermöglichen.
Die ansonsten in vielen Leistungsbildern der HOAI bestehende Verpflichtung der Planer zur Integration der Planungsleistungen anderer an der Planung fachlich Beteiligter allein führt dagegen nach unserem Verständnis noch nicht zu einem derart engen funktionalen Zusammenhang und damit nicht zu einer Additionspflicht. Denn die (einfache) Verpflichtung zur Integration bedeutet noch nicht, dass die Planungsleistungen in obigem Sinne lückenlos aufeinander abgestimmt und optimiert sowie einheitlich ohne Schnittstellen sein müssen.
Darüber hinaus sind die Auftragswerte von Planungsleistungen, die sich nicht direkt auf die Maßnahme beziehen, sondern diese z. B. nur allgemein vorbereiten, grundsätzlich nicht zu addieren:
Auch Leistungen, die nicht dem Vergaberecht unterliegen, brauchen nicht addiert zu werden:
Dies gilt auch für Baumaßnahmen, bei denen der Freistaat Bayern Fördergeber ist.
Hinsichtlich anderer Förderungen empfehlen wir vorherige Abstimmung mit dem jeweiligen Fördergeber.
Bei Maßnahmen, die mit EU-Mitteln gefördert werden, z. B. EFRE-Maßnahmen, ist die von der EU-Kommission vertretene Auffassung zugrunde zu legen und die Auftragswerte der Planungsleistungen sind in jedem Fall zu addieren. Grund hierfür ist das Risiko der Rückforderung der EU-Mittel.
Im Weiteren weisen wir darauf hin, dass im Rahmen der Projektplanung zu prüfen ist, ob zur Verfahrensbeschleunigung das „Offene Verfahren“ oder Rahmenvereinbarungen genutzt werden können. Besteht Additionspflicht, gilt dies in besonderem Maße.
Außerdem ist zu Beginn der Maßnahme im Rahmen des 20 %-Kontingents (§ 3 Abs. 9 VgV) festzulegen, welche Leistungen national bzw. EU-weit ausgeschrieben werden sollen.
Vor der Bekanntmachung der ersten Planungsleistungen für die Baumaßnahme ist die Frage der Addition in Zweifelsfällen in Abstimmung mit der Abteilung T und der Fachabteilung zu prüfen und in jedem Fall das Ergebnis, aus welchem Grund eine Addition der Auftragswerte unterblieben ist, im Vergabevermerk zu dokumentieren.
Es ist vorgesehen, etwaige Anwendungsfragen bei Bedarf über FAQs und auch in einer WebEx mit den Technischen Geschäftsleitungen und den Rechtsabteilungen der Bauämter zu erörtern. Eine Termineinladung erfolgt kurzfristig.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Josef Bauer
Ministerialrat
Download
Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 18.12.2023
Schreiben des Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration vom 31.01.2024
Anlage
Schreiben des Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 18.12.2023
Sehr geehrte Damen und Herren,
am 24.08.2023 wurde die Streichung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV wirksam.
Für die Vergabe von Planungsleistungen durch kommunale Auftraggeber weisen wir dazu auf Folgendes hin:
Wir bitten die Kreisverwaltungsbehörden, die kreisangehörigen Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften sowie die ihrer Aufsicht unterstehenden Zweckverbände zu informieren. Die Regierungen werden gebeten, das Schreiben an die ihrer Aufsicht unterliegenden Zweckverbände weiterzuleiten. Dieses Schreiben ist auch im Internet unter www.vergabeinfo.bayern.de unter dem Link „Vergaben im kommunalen Bereich“ abrufbar.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Hofmann
Ministerialrat
Download
Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration vom 31.01.2024
Orginalmeldung vom 13.02.2024, aktualisiert am 26.02.2024 | Quellen: Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, Bayerische Ingenieurekammer-Bau, Bundesingenieurkammer
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