28.02.2024 - München
Die konjunkturelle Lage der Bauwirtschaft in Bayern, die Krise im Wohnungsbau, die Themen Vergabe und Genehmigungsverfahren, der Gebäudetyp-e und das nachhaltige Planen und Bauen für ein klimaneutrales Bayern bis zum Jahr 2040 standen auf der Agenda des Parlamentarischen Frühstücks des Vorstands der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau mit Abgeordneten der CSU-Landtagsfraktion am 28. Februar 2024.
Nach der Begrüßung durch Klaus Holetschek MdL, den Vorsitzenden der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag (im Foto oben links) und Prof. Dr. Norbert Gebbeken, den Präsidenten der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau (im Foto oben rechts) sowie einer kurzen Vorstellungsrunde ging es zuerst um die Erhaltung der Zukunftsfähigkeit des Freistaats Bayern und die ökologische und digitale Transformation des Bauwesens auf dem Weg zu einem klimaneutralen Bayern bis zum Jahr 2040.
Die bayerische Bauwirtschaft ist sich ihrer Verantwortung bewusst und hat in einem breiten Verbund der wichtigsten Player der Branche mit dem von der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau initiierten Bündnis „Sustainable Bavaria“ einen Maßnahmenkatalog erarbeitet, der vom Bayerischen Bauministerium unterstützt wird.
Von großer Bedeutung ist, dass die öffentliche Hand im Hinblick auf die Nachhaltigkeit und die ökologische Transformation des Bauwesens mit gutem Beispiel vorangeht. So hat die Bayerische Staatsregierung mit einer Änderung der Bayerischen Bauordnung (BayBO) im Sommer 2023 einen Grundgedanken des „Gebäudetyps-e“ im öffentlichen Recht umgesetzt. Fraktionsvorstand Jürgen Baumgärtner, MdL sagte: „Die bayerische CSU hat den Weg für das für den Gebäudetyp-e in Bayern freigemacht. Jetzt liegt der Ball beim Bundesjustizministerium in Berlin.“
Um das innovative Bauen zu stärken, starten jetzt 19 Pilotprojekte in fast allen Regierungsbezirken. Der „Gebäudetyp-e“ geht zurück auf eine Initiative der Bayerischen Architektenkammer, der sich auch die Bayerische Ingenieurekammer-Bau angeschlossen hat. Beide Kammern unterstützen die Pilotprojekte mit ihrem Engagement.
Eine gesunde Wirtschaft ist die Grundlage für unseren Wohlstand. Um aus Bayern heraus gute Wirtschaftspolitik zu machen, brauche es aber deutlich mehr Verlässlichkeit auf Bundesebene. Ein drängendes Thema ist die Krise im Wohnungsbau. Besonders für die kleineren und mittleren Ingenieurbüros ist die Lage dramatisch.
Die anhaltend schlechten Konjunkturprognosen in der Baubranche, die sich v.a. auf den starken Rückgang im Wohnungsbau zurückführen lässt, schlägt sich mittlerweile auch in den bayerischen Ingenieurbüros nieder.
Das Ergebnis einer solchen Entwicklung sind handfeste
wirtschaftliche Krisen durch fehlende Liquidität bei den Ingenieurbüros. Gerade in Zeiten, wo der privatwirtschaftlich
finanzierte Markt quasi den „Kopf in den Sand steckt“, ist es vor allem an den
öffentlichen Auftraggebern, die Konjunktur mit eigenen Vorhaben zu stützen und
bei laufenden Projekten am zeitlichen Ablauf festzuhalten.
Wir brauchen hier Planungssicherheit und verlässliche Rahmen- und Förderbedingungen. Gerade im Hinblick auf den Ausbau der energetischen Infrastruktur müssten die Genehmigungszeiten reduziert und die Beteiligungsprozesse verbessert werden, so Michael Kordon, 1. Vize-Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau.
Die bayerische Planungs- und Bauwirtschaft ist regional und kleinteilig strukturiert. Die aktuellen Entwicklungen bei der Vergabe und den Genehmigungsverfahren gefährden diese effiziente und resiliente Struktur, gerade der Trend zur Vergabe an Generalplaner, Generalunternehmer und Totalunternehmer sowie die zunehmende Zusammenfassung von Bauvorhaben zu großen Einheiten.
Damit dringend notwendige bauliche Maßnahmen zeitnah umgesetzt werden können, müssen die Genehmigungs- und Verfahrensprozesse deutlich beschleunigt und vereinfacht werden. Nach der Streichung einer zentralen vergaberechtlichen Regelung bei Planungsleistungen am Bau (§ 3 Abs. 7 Satz 2 VgV) besteht weiterhin große Verunsicherung bei öffentlichen Auftraggebern, wie die Auftragswertberechnung rechtssicher vorgenommen werden kann.
Die Berechnung des Auftragswerts entscheidet darüber, wann Planungs- und Bauleistungen für Bauvorhaben europaweit ausgeschrieben werden müssen. Dies betrifft nicht nur Großprojekte, sondern beispielsweise auch Erweiterungen von Schulgebäuden oder den Neubau von Kindergärten in kleineren Gemeinden.
Dr.-Ing.
Werner Weigl, der 2. Vizepräsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau stellte
ein am 26. Februar 2024 veröffentlichtes, neues Gutachten des renommierten Vergaberechtlers Prof. Martin Burgi, das aufzeigt, wie unter den derzeitigen Regelungen
rechtssicher europakonform vergeben werden kann. (Rechtsgutachten zum Download)
In dem von der Bundesingenieurkammer, der Bundesarchitektenkammer, dem Verband Beratender Ingenieure (VBI) und dem AHO beauftragten Gutachten kommt Prof. Burgi zu dem Schluss, dass eine gemeinsame Vergabe von Planungs- und Bauleistungen als „Bauauftrag“ kombiniert mit der anschließenden losweisen Vergabe dieser Leistungen rechtlich zulässig und umsetzbar ist.
Das Bayerische Bauministerium hat mit Schreiben vom 18.12.2023 erst kurz zuvor daran erinnert, dass eine Pflicht zur Addition der Auftragswerte der einzelnen Planungsdisziplinen für dasselbe Bauvorhaben im Vergaberecht nicht geregelt ist, sich aber aus einem engen funktionalen Zusammenhang zwischen den Planungsleistungen ergeben kann. Auch bisher schon war eine getrennte und zeitliche Staffelung der Vergabe von Planungs- und Bauleistungen üblich, wenn man bei der Ermittlung des Auftragswertes unter Addition der Fachlose zu dem Ergebnis kam, dass die einzelnen Lose in Planung und Bau europaweit auszuschreiben sind.
Neu ist der von Prof. Burgi dargelegte Ansatz, bei der Ermittlung des Auftragswertes Planungs- und Bauleistungen zusammen zu addieren und mit dem dann maßgeblichen Schwellenwert für Bauleistungen 5,538 Mio. € zu vergleichen. Kommt man dann zum Ergebnis, dass das Bauvorhaben unter diesem Schwellenwert liegt, können Planungs- und Bauleistungen in Fachlosen nach den jeweils einschlägigen nationalen und bundesländerspezifischen Regelungen vergeben werden.
Die Ergebnisse aus Prof. Burgis Gutachten lassen sich mit der Haltung des Bayerischen Bauministeriums verbinden. Denn sowohl die deutschen als auch die europäischen vergaberechtlichen Regelungen sehen vor, dass ein Auftraggeber frei wählen kann, ob er Planungs- und Bauleistungen getrennt oder gemeinsam, auch kombiniert mit einer Fachlosbildung, vergeben möchte. Bei diesem Beschaffungskonzept der gemeinsamen Vergabe, wie es die Stadt Hamburg bereits seit 2023 erfolgreich praktiziert, geht das Vergaberecht davon aus, dass es sich insgesamt um einen Bauauftrag handelt. Demzufolge kommt der Schwellenwert für die Vergabe von Bauleistungen in Höhe von 5.538.000 Euro zur Anwendung und nicht der von Planungsleistungen in Höhe von 221.000 Euro.
Burgis Gutachten hebt zudem hervor, dass der Grundsatz der mittelstandsfreundlichen Vergabe weiterhin gilt und legt mit überzeugend begründeten Darlegungen dar, dass das von Hamburg bereits praktizierte Vergabemodell mit dem EU-Vergaberecht vereinbar ist und auch nicht den unterschwelligen nationalen Vergaberegeln widerspricht. Insbesondere lässt sich dieses Modell, von Prof. Burgi als „alternatives Beschaffungskonzept“ beschrieben, nicht als Umgehung des EU-Rechts bewerten, weshalb es auch in Hinblick auf Fördermittel keine Risiken begründet.
Bleiben Planungs- und Bauleistungen unter dem Schwellenwert von 5,538 Mio. €, bewegt sich die Vergabe dieser Leistungen im nationalen Vergaberecht, wonach jede Planungsdisziplin mit für beide Seiten geringem Aufwand, z.B. unter Einholung von drei Angeboten, separat vergeben werden kann. Eine Gleichzeitigkeit der Vergaben ist ebenso nicht notwendig. Damit weist Burgi einen Weg aus dem Dilemma der Addition der Planungshonorare, das entweder zu explodierendem Ausschreibungsaufwand auf beiden Seiten oder zu einem Angriff auf die kleinteilige Planungslandschaft führt, welche sich jedoch gerade in Krisenzeiten, wie wir sie derzeit wieder erleben, als sehr resilient erwiesen hat.
„Wir
appellieren an alle Auftraggeber, Prof. Burgis Rechtsauffassung zu folgen. Damit wäre die Beteiligung der kleinen,
regionalen und mittelständischen Einheiten in Planung und Bau für häufige
Bauvorhaben wie Kindergärten und Schulerweiterungen wieder möglich. Genau hier
ist der Bedarf besonders hoch“, stellte Kammer-Vizepräsident Dr.-Ing. Werner
Weigl klar.
Die Landtagsabgeordneten der CSU zeigten großes Interesse an dem Gutachten. Fraktionsvorstand Josef Zellmeier, MdL betonte, dass man in diesem Bereich eine rechtssichere Regelung brauche und versprach, dass sich die Fraktion das Gutachten und das Hamburger Modell genau ansehen werden.
Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau wird den Abgeordneten
das Gutachten zuleiten und man hat vereinbart, sich dazu zu weiteren Gesprächen
zu treffen. Weiterhin wurde auf Anfrage der CSU-Fraktion vereinbart, dass die Bayerische
Ingenieurekammer-Bau den Abgeordneten ihre Änderungsvorschläge zur
Vereinfachung und Optimierung der Bayerischen Bauordnung (BayBO) und
der Baugenehmigungsverfahren zukommen lässt.
Teilnehmer der CSU-Landtagsfraktion:
Teilnehmer der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau:
Quelle: Bayerische Ingenieurekammer-Bau, Fotos: CSU-Fraktion (Titelfoto), alle weiteren Fotos: BayIka-Bau
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