01.11.2024 - Berlin
Die Bundesingenieurkammer spricht sich in ihrer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf des Vergabetransformationspakets nachdrücklich gegen eine weitere Aufweichung des Grundsatzes der losweisen Vergabe in § 97 Absatz 4 GWB aus und hebt den Schutz der mittelständischen Interessen bei der Auftragsvergabe hervor.
Grundsätzlich positiv werden jedoch jene Änderungen beurteilt, die sicherstellen, dass eine Gesamtvergabe von Planungs- und Bauleistungen als „Bauauftrag“ nicht mehr zwingend zu einer General-/Totalunternehmervergabe führen muss, sondern beide Leistungen anschließend losweise getrennt und zeitlich versetzt auf der Grundlage von VOB bzw. VgV vergeben werden können.
Vorteilhaft bewertet werden außerdem die im Gesetzentwurf vorgesehenen Erleichterungen bei den Eignungsnachweisen, die den Aufwand für die bietenden Büros reduzieren können.
Der Arbeitskreis Vergabe unter dem Vorsitz von Dr.-Ing. Werner Weigl, 2. Vizepräsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, hat sich mit dem Gesetzentwurf und den Anmerkungen der Länderkammern befasst und die Stellungnahme zum Vergabetransformationspaket erarbeitet. Am 1. November 2024 hat die Bundesingenieurkammer die Stellungnahme fristgerecht an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) versandt.
Da der Gesetzentwurf innerhalb der Bundesregierung noch nicht endabgestimmt ist, können sich daran noch Veränderungen ergeben. Über den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens werden wir berichten.
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Stellungnahme der Bundesingenieurkammer zum Vergabetransformationspaket vom 01.11.2024
Lfd. Nr. | Dokument | Bezug | Norm | Anmerkung / Änderung / Vorschlag / Synopse |
1. | VergabeR- TransfG | Art. 1 Nr. 2 lit. b | § 97 IV 3 GWB | Bereits im Rahmen der öffentlichen Konsultation haben wir die Notwendigkeit der Beibehaltung des Grundsatzes der losweisen Vergabe in § 97 Abs. 4 GWB betont. Der gesetzlich festgelegte Vorrang dient dem Schutz der mittelständisch strukturierten Wirtschaft und der Förderung des Wettbewerbs. Der Vorrang der losweisen Vergabe bezweckt neben der Stärkung des Mittelstandes auch die Entstehung und Förderung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs und die Vermeidung einer Monopolbildung einiger weniger Anbieter, die dann auch den Wettbewerb beschränken. Die Aufnahme von zeitlichen Gründen als Ausnahmetatbestand, verbunden mit einer gleichzeitigen Absenkung der Begründungs- und Dokumentationspflichten führt im Ergebnis zu einer vollständigen Aufweichung des Grundsatzes der losweisen Vergabe, der damit noch nicht einmal mehr eine „Feigenblatt“- Funktion zum Schutz der mittelstandsgeprägten Wirtschaft erfüllt. Öffentliche Auftraggeber werden diese Änderung im Sinne einer uneingeschränkten Freigabe der General- bzw. Totalunternehmervergabe begreifen und hiervon bedingungslos und umfangreich Gebrauch machen. Mittelständisch geprägte Planungsbüros werden in der Folge von der Teilnahme an öffentlichen Vergaben ausgeschlossen sein. Sie werden sich auch nicht – wie in der Gesetzesbegründung anheimgestellt – direkt selbst oder in Bietergemeinschaften auf Gesamtvergaben bewerben können, da die gemeinsamen Referenzen meist fehlen. Deren Einbindung als Subunternehmer in Gesamtvergaben wird auch nicht dazu führen, dass diese – wie es vom Vergaberecht eigentlich intendiert ist – ihre innovativen alternativen Planungsvorschläge einbringen können, da ihnen als Subunternehmer eines Generalunternehmers die dazu notwendige unabhängige Beratungsmöglichkeit des Auftraggebers fehlt. Die Aufnahme von zeitlichen Gründen lehnen wir daher als weiteren Ausnahmetatbestand zum Grundsatz der losweisen Vergabe ab. Daneben muss die bisherige Voraussetzung („erfordern“) für die Zusammenfassung mehrerer Lose wegen wirtschaftlicher und technischer Gründe weiter aufrecht erhalten bleiben. Insoweit mag auch die Gesetzesbegründung nicht überzeugen. Auf Seite 59 wird
ausgeführt:
Tatsächlich ist mit der losweisen Vergabe ganz typisch ein Mehr an
Personal-/Fachkräfte-/Baudispositions-/Koordinierungsaufwand verbunden. Dies ist der „Preis“ für die
mittelstandsfreundliche Losaufteilung. Die Begründung ist also
widersprüchlich und führt zu Missverständnissen in der Praxis. Die genannten
Faktoren sind gerade nicht geeignet, die Zusammenfassung von Losen zu
rechtfertigen. Dies gilt auch dann, wenn der Faktor „zeitliche“ ergänzt
werden sollte. Daneben wird die Klarstellung, dass die Zusammenfassung mehrerer Lose nicht zwingend zu einer Gesamtvergabe des gesamten Auftrags führen muss und der Auftraggeber ausdrücklich auch nur einen Teil der Lose geeignet zusammenfassen und -vergeben kann uneingeschränkt begrüßt. Damit wird auch im Zusammenhang mit den Änderungen in § 103 GWB und § 2 VgV im Ergebnis ein neuer Beschaffungsweg beschrieben, der bisher in der Praxis in dieser Form nicht zur Anwendung kam. |
2. | VergabeR- TransfG | Art. 1 Nr. 6 lib. b | § 103 III S. 1 GWB | Es wird ausdrücklich begrüßt, dass durch die Änderung in § 103 Abs. 3
Satz 1 GWB klargestellt wird, dass die Vergabe von Bauaufträgen nicht mehr
eine gleichzeitige Vergabe von Planung und Ausführung erfordert. |
3. | VergabeR- TransfG | Art. 4 Nr. 2 | § 2 S. 3 VgV | Ausdrücklich begrüßt wird ferner die Klarstellung, dass die Vergabe von Planungsleistungen, die Teil eines Bauauftrags sind, aber losweise vergeben werden, sich nach dem sachnäheren für Lieferungen und Dienstleistungen geltenden Recht richtet und nicht nach der VOB. Diese bisher rechtlich umstrittene Frage stand einer gemeinsamen Vergabe von Planungs- und Bauleistungen als Bauauftrag und einer anschließenden getrennten Fachlosvergabe beider Leistungen regelmäßig entgegen. Die Orientierung an der größeren Sachnähe für die Vergabe von Architekten und Ingenieurleistungen nach den Regelungen der VgV kann sich für diese Vergabemöglichkeit künftig positiv auswirken. |
4. | VergabeR- TransfG | Art. 1 Nr. 14 | § 114 III GWB | Um das Vereinfachungspotential der Digitalisierung effizient nutzen zu können, hatten wir die Vereinheitlichung der bisherigen unterschiedlichen Vergabeplattformen bereits im Rahmen der öffentlichen Konsultation vorgeschlagen. Deshalb wird die geplante Einrichtung einer zentralen Plattform für den öffentlichen Einkauf ausdrücklich unterstützt. Dabei sollte es sich nicht nur um eine Veröffentlichungsplattform, sondern auch um eine Bewerbungs- und Vergabeplattform handeln, die den gesamten Vergabeprozess transparent abbildet. |
5. | VergabeR- TransfG | Art. 1 Nr. 16 | § 120a GWB | Eingeführt werden soll ein Konzept mit verbindlichen und gleichzeitig flexiblen Vorgaben zur Berücksichtigung sozialer und umweltbezogener Aspekte im Vergabeverfahren. Dazu wird über eine AVV eine Positiv- bzw. Negativliste eingeführt.
Den größten Einfluss auf die Nachhaltigkeit der Beschaffung besteht für den
Auftraggeber bei der Festlegung und Beschreibung der zu erbringenden
Leistungen. Nachhaltigkeitsaspekte sollten hierbei ausschließlich
auftragsbezogen und sachlich begründbar beschrieben werden. Die Beschränkung
der Soll-Vorgabe zur Berücksichtigung mindestens eines sozialen oder eines
umweltbezogenen Kriteriums wird dabei grundsätzlich für ausreichend gehalten.
Bei den umweltbezogenen Kriterien gibt es über den CO2- Schattenpreis und
Kriterien für den Einkauf von Holz hinaus wenig Aspekte, die sich auf
Planungsleistungen von Ingenieurinnen und Ingenieuren übertragen ließen.
Diese werden in der Regel durch andere Regelungen (z.B.
Bauproduktenverordnung, Ökodesign-Richtlinie, Ökolabel-Verordnung, Richtlinie
über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, Richtlinie über
Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen) näher
bestimmt. Hierbei sollten Doppelregelungen unbedingt vermieden werden. Bei der Vorgabe von sozialen Kriterien sollten keine weitergehenden vergabefremden Kriterien und keine über den gesetzlichen Mindeststandard hinausgehenden sozialen Kriterien auferlegt oder abgefragt werden. Hierbei ist das Grundrecht der negativen Koalitionsfreiheit zu beachten. Sind branchenspezifische arbeitsrechtliche Besonderheiten nicht gegeben und existieren in diesen Branchen keine repräsentativen Tarifparteien mit entsprechender Sozialmacht, sind auch im Rahmen einer Tariftreueregelung keine weiteren Anforderungen zu stellen. |
6. | VergabeR- TransfG | Art. 1 Nr. 17 | § 121 GWB | Das Erfordernis einer „erschöpfenden“ Leistungsbeschreibung soll dem Entwurf zufolge gestrichen werden. Die Leistungsbeschreibung muss jedoch so klar gefasst sein, dass sie für alle Bieter gleichermaßen verständlich ist und keine kalkulatorisch relevanten Fragen offenbleiben. Im Interesse der Kostensicherheit und der Vermeidung von Nachträgen sollten deshalb alle kalkulationsrelevanten Beschreibungen und Kriterien in einer Leistungsbeschreibung enthaltenen sein müssen, die auch in § 7 VOB/A beschrieben sind. Es wird daher vorgeschlagen, auf die Streichung dieses Erfordernisses zu verzichten. |
7. | VergabeR- TransfG | Art. 1 Nr. 18 | § 122 GWB | Eignungsanforderungen und Ausführungsbedingungen sind sehr oft unangemessen und stellen ein wesentliches Hemmnis für die Vergabeverfahren dar. Vor diesem Hintergrund wird die Stärkung des Grundsatzes von Eigenerklärungen sowie die Vorlage von Nachweisen nur von aussichtsreichen Bietern ausdrücklich begrüßt. |
8. | VergabeR- TransfG | Art. 4 Nr. 12 | § 35 VgV | In der bisherigen Fassung von § 35 Absatz 1 VgV waren Nebenangebote nur zugelassen, wenn dies ausdrücklich erwähnt wurde. Äußerte sich der Auftraggeber also nicht, waren keine Nebenangebote zugelassen. Nunmehr soll der Auftraggeber zu einer Festlegung verpflichtet werden, ob er Nebenangebote zulässt oder auch nicht. Es fehlt jedoch eine Regelung dazu, was passiert, wenn der Auftraggeber schlicht keine Angabe macht. Hier sollte im Interesse der Rechtssicherheit eine Zweifelsregel eingefügt werden, indem z.B. der bisherige Absatz 1 Satz 2 in der Neuregelung beibehalten wird: „Fehlt eine entsprechende Angabe, sind keine Nebenangebote zugelassen.“ |
9. | VergabeR- TransfG | Art. 4 Nr. 23 | § 60 VgV | Begrüßt wird die Einschränkung des Ermessens des Auftraggebers beim Ausschluss eines ungewöhnlich niedrigen Angebotes durch die Änderung der „kann“- in eine „soll“-Bestimmung. In der Verordnungsbegründung sollte darüber hinaus aber eine Klarstellung erfolgen, dass soweit gesetzliche oder verordnungsrechtliche Gebühren- oder Honorarordnungen vorhanden sind, deren Unterschreitung ein ungewöhnlich niedriges Angebot i.S. von § 60 VgV darstellt (z.B. HOAI für Planungsleistungen). |
Quelle: Bundesingenieurkammer, Grafik: Logo: BIngk, Grafik Vergaberecht: lhphotos / AdobeStock
31.03.2025 | 15:00 - 17:00 Uhr | Online
Durch die Streichung des § 3 Abs. 7 S: 2 VgV und der damit einhergehenden stark gestiegenen Anzahl an VgV-Verfahren für Planungsleistungen, sehen sich der Großteil der Ingenieurinnen und Ingenieure mit der komplexen Materie des europarechtlichen Vergaberechts im Oberschwellenbereich konfrontiert. Das Seminar zeigt, worauf aus Bietersicht bei Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich geachtet werden muss, was die Rechte der Bieter sind und wie diese durchgesetzt werden können. Zudem werden aktuelle Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung vermittelt.
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