04.11.2025 - München
Auf Friedrich Nietzsche geht der Satz zurück, wonach die Schlange, welche sich nicht häuten kann, zugrunde geht. So gesehen mag es der Rettung der HOAI gedient haben, dass sie vor bald fünf Jahren zur Rettung der europäischen Harmonie ihre absolute Verbindlichkeit abstreifen musste. Doch unverändert schlängeln sich Urteile in die elektronischen Briefkästen der Rechtsinteressierten, die sich mit Streitfragen aus der vergangenen Mindest- und Höchstsatzzeit befassen, so Dr. Andreas Ebert, Justiziar der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau.
Dem Häutungsprozess zum Trotz verdienen etliche dieser Verdikte weiter höchste Aufmerksamkeit, jedenfalls für die Vertragsparteien, denen die Wertigkeit der HOAI bewusst geblieben ist und die deshalb die Verordnung kraft ihrer Vertragsautonomie bilateral verbindlich machen.
Vor diesem Hintergrund besitzt auch ein Urteil des OLG Naumburg (v. 20.05.2025, 2 U 38/24) Aktualität, welches sich mit einem Rechtsstreit aus dem Jahr 2018 beschäftigt, einer Zeit also, da die HOAI noch im alten Schuppenkleid verharrte.
Die Parteien hatten verabredet, dass sich die Vergütung für die Erbringung von Grundleistungen aus den Leistungsphasen 7 (Mitwirkung bei der Vergabe) und 8 (Objektüberwachung) nach den Bestimmungen der HOAI 2013, einer auf 7,5 Mio. € lautenden Kostenberechnung des mit den Planungsleistungen befassten Architekten vom 15.03.2018 und der Honorarzone III, Mittelsatz, richten sollte. Außerdem war der Ingenieur beauftragt, die vom Architekten erstellten Leistungsverzeichnisse gegen ein Stundenhonorar von 68,00 € netto zu überprüfen und zu überarbeiten.
Soweit hier von Belang, waren die Berechnungsfaktoren nach HOAI unstreitig, bis auf jene Kostenberechnung des Architekten, die der Ingenieur für inkorrekt erachtete und deshalb auf 9,5 Mio. € korrigierte. Seiner Auffassung nach habe der Kollege bei seiner Kostenberechnung neben der kompletten Baustelleneinrichtung gleich eine ganze Etage des geplanten Wohnkomplexes kostenmäßig vergessen, zumindest was die Gewerke Innenputz, Trockenbau und den Malerarbeiten betraf.
Gepatzt habe er außerdem bei den Kosten der Aufzüge und den Bewehrungs- und Stahlmengen. Überdies seien die anrechenbaren Kosten durch Nachträge der Bauunternehmen während der Bauausführung gestiegen und Zusatzleistungen im Verlauf der Planung erforderlich geworden, die über den ursprünglichen Leistungsumfang hinausgingen, welche ebenfalls die anrechenbaren Kosten erhöht und daher eine Anpassung des Honorars nach § 10 HOAI ausgelöst hätten.
Eine gänzlich andere Sichtweise nahm demgegenüber der Auftraggeber ein und argumentierte, im Ingenieurvertrags sei klar vereinbart, dass sich das Honorar nach der Kostenberechnung vom 15.03.2018 richten solle. Eine spätere Anpassung sei nur bei Änderung des beauftragten Leistungsumfangs vorgesehen, nicht bei allgemeinen Baukostensteigerungen oder Nachträgen. Der Ingenieur habe auch nicht dargelegt, dass sich der beauftragte Leistungsumfang geändert habe.
Nachträge oder tatsächliche Baukostensteigerungen seien keine Grundlage für eine Honoraranpassung nach § 10 HOAI. Zu Unrecht behaupte er, die ursprüngliche Kostenberechnung sei unvollständig gewesen, tatsächlich seien die angeblich fehlenden Positionen in der Originalberechnung bereits enthalten. Und nach der Systematik der HOAI 2013 sei das Honorar von den tatsächlichen Baukosten abgekoppelt. Maßgeblich seien die Kosten der Entwurfsplanung, nicht die tatsächlichen Baukosten oder spätere Änderungen.
Mit der ersten zu entscheidenden Frage hat sich das OLG nicht lange aufgehalten, obwohl sie für die Praxis höchste Relevanz hat. Dafür ist die Antwort klar und eindeutig ausgefallen: Eine fehlerhafte Kostenberechnung könne korrigiert werden.
Für die erstmalige Erstellung der Kostenberechnung sei auf den Zeitpunkt der Entwurfsplanung abzustellen, weshalb dasselbe auch für deren nachträgliche Korrektur gelte. Daraus ergibt sich zwanglos, dass steigende Baupreise in der geänderten Kostenberechnung ebenso wenig Berücksichtigung finden dürfen wie Nachträge und spätere Zusatzaufträge, was auch das OLG so sah.
An eine zu niedrige Kostenermittlung sei der Planer im Übrigen nur gebunden, wenn sie Teil einer Schlussrechnung ist, hinsichtlich derer bereits Bindungswirkung eingetreten ist. Das war vorliegend nicht der Fall.
Trotz der im Grundsatz für den Ingenieur günstigen Rechtsmeinung blieb ihm der prozessuale Erfolg versagt. Denn das sachverständig beratene Gericht fand heraus, dass es die gerügten Mängel in der Kostenberechnung des Architekten tatsächlich nicht gab.
Es ließ den Ingenieur auch wissen, dass Kostenpositionen im Leistungsverzeichnis, die in der Kostenberechnung noch nicht enthalten waren, schon deshalb keine Korrektur erlaubten, weil das LV erst in der Leistungsphase 6 als Grundleistung geschuldet ist. Es liege in der Struktur der HOAI begründet, dass die Kostenberechnung oftmals noch nicht alle Kosten enthält, die sich später aufgrund der viel detaillierteren Leistungsverzeichnisse ergeben.
Schließlich verwarfen die Richter, durchaus in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH (Urteil v. 05.08.2010, VII ZR 14/09), auch das Argument, dass Nachträge die Kostenberechnung beeinflussten.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass die vertragliche Orientierung an der HOAI 2021 beiden Seiten die Gewähr bietet, eine durch umfangreiche Rechtsprechung abgesicherte Auslegungs- und Gestaltungsbasis für die Honorierung zu finden, während individuell gestrickte Honorarregeln ungeklärte Interpretationsspielräume eröffnen.
Doch auch die vertragliche Bindung an die HOAI stellt Herausforderungen. So muss durch den Vertrag klar geregelt werden, ob die definierten Honorierungsparameter wie etwa die Honorarzone als abschließende und unabänderliche Größe zu verstehen sind oder als im Zeitpunkt des Vertragsschlusses angenommene Vorausschau. Dasselbe gilt für die anrechenbaren Kosten. Der sicherste Weg ist die Vereinbarung der uneingeschränkten Geltung der HOAI.
Wird daneben eine Honorarermittlung dem Vertrag beigefügt, ist eine Klarstellung dahin zu empfehlen, ob sie lediglich informatorischen Charakter hat oder die Parameter zur Honorarermittlung bindend festlegt. Letzteres ist grundsätzlich nicht zu empfehlen, um die weiteren Entwicklungen des Planungs- und Baugeschehens im Honorar abbilden zu können. So kann eine Kostenberechnung sehr wohl spätere Kostenänderungen aufgreifen, wenn auch die (nicht mängelbehaftete) Entwurfsplanung nachträglich und einvernehmlich geändert wird.
Eine fortgeschriebene Kostenberechnung gehört zu den i.S.v. § 10 Abs. 1 HOAI angepassten Honorarberechnungsgrundlagen, wie bereits das OLG Köln (Urteil v. 08.05.2023, 19 U 792/22) und das OLG Schleswig (Urteil v. 17.07.2024, 12 U 149/20) herausgearbeitet haben.
Wer sich dagegen auf die pauschalierende Anwendung fixierter Honorarparameter einlässt, riskiert aus der Haut zu fahren, wenn das vereinbarte Honorar nicht den entstandenen Aufwand abbildet.
Autor: Dr. Andreas Ebert, Justiziar der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau
Fotos: Tobias Hase, BayIka-Bau (KI-unterstützt)
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