Fünf Baudenkmäler in Schwaben und eines aus Oberbayern wurden bei der Preisverleihung mit Bauministerin Kerstin Schreyer am 17. September im Neuen Schloss Schleißheim mit dem Bayerischen Denkmalpflegepreis 2020 ausgezeichnet. Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau verleiht den Preis gemeinsam mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege alle zwei Jahre in den Kategorien private und öffentliche Bauwerke.
Sieger bei den öffentlichen Bauwerken sind die Burgkirche Oberwittelsbach in Aichach (Gold), die Evang.-Luth. St. Martinskirche in Memmingen (Silber) und die Historische König-Ludwig-Brücke in Kempten (Bronze).
Bei den privaten Denkmälern wurden die Predigtstuhlbahn Bad Reichenhall (Gold), die Alte Spinnerei in Kempten (Silber) und das Gebäude Rainhausgasse in Lindau (Bronze) ausgezeichnet.
Bayerns Bauministerin Kerstin Schreyer betonte bei der Übergabe der Auszeichnungen an die Preisträger: „Bayern ist reich an kulturellem Erbe. Unsere Aufgabe ist es, dieses Erbe zu erhalten und zu pflegen. Mit dem Bayerischen Denkmalpflegepreis leistet die Bayerische Ingenieurkammer-Bau in Partnerschaft mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege einen bedeutenden Beitrag dazu!“
Ein besonderes Augenmerk bei der Vergabe des Preises gilt den herausragenden Leistungen der Ingenieure, die maßgeblich zum Erfolg der Instandsetzungen beigetragen haben. Ihre Arbeit ist besonders wichtig, aber meist weniger sichtbar als beispielsweise die neue Fassade. Ohne Ingenieurswissen, wie den richtigen Kniff bei der Statik oder auch der Lüftungsplanung, wäre der Erhalt vieler Baudenkmäler jedoch unmöglich.
Prof. Dr. Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, sagt: „Obwohl der Bewerbungsschluss für den Bayerischen Denkmalpflegepreis 2020 mitten in der Corona-Krise lag, hatten wir eine hohe Beteiligung. In diesen schwierigen Zeiten ist die Baubranche eine wichtige Stütze der deutschen Wirtschaft. Identitätsstiftende Kulturgüter und deren historische Bausubstanz durch ausgefeilte Ingenieurstechnik zu erhalten, ist gerade jetzt ein sehr wichtiger Beitrag, um den Menschen ein Stück Normalität zu geben.“
Für die Gewinner der Kategorie „Private Bauwerke“ stellt die Bayerische Ingenieurekammer-Bau zusätzlich zur Auszeichnung ein Preisgeld von insgesamt 10.000 Euro bereit. „Für private Bauherren ist es eine besondere Herausforderung, ein Denkmal zu sanieren. Diesen Einsatz möchten wir mit dem Preisgeld ausdrücklich würdigen“, so Gebbeken weiter.
„Mit Unterstützung durch qualifizierte Ingenieure und Architekten, mit dem fachlichen Rat der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bayerischen Landesamtes und der Genehmigungsbehörden ist im Dialog zwischen allen Beteiligten diese Herausforderung zu meistern“, ergänzt Prof. Dipl.-Ing. Architekt Mathias Pfeil, Generalkonservator des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege.
Dipl.-Ing. (FH) Klaus-Jürgen Edelhäuser, der Vorsitzende der achtköpfigen Jury, die die sechs Preisträger ermittelt hatte, freut sich besonders über die hohe Anzahl an 45 eingereichten Bauwerken und die durchweg hohe Qualität der Beiträge zum Bayerischen Denkmalpflegepreis 2020.
"Denkmalpflege und Ingenieurbaukunst gehören zusammen. Gerade bei der Instandsetzung von Baudenkmälern leisten Ingenieure einen wichtigen Beitrag, damit historische Bauten erhalten bleiben. Ein besonderer Dank gilt aber natürlich auch den zahlreichen Bauherren, die sich dem Erhalt eines Baudenkmals verschrieben haben", so Edelhäuser.
Jurybegründung
Die Burgkirche Oberwittelsbach in Aichach liegt auf dem Gelände der ehemaligen Stammburg der Wittelsbacher und erhebt sich auf Fundamenten und Mauerresten der 1209 geschleiften Burganlage. Im Gewölbe der Burgkirche wurden gravierende Schäden festgestellt. Das Gewölbe hatte sich abgesenkt und das Mauerwerk war stark beschädigt. Da die Standsicherheit nicht mehr gegeben war, musste das Gewölbe vollständig instandgesetzt werden.
Um die ursprüngliche Bausubstanz soweit wie möglich zu erhalten, wurde das in dieser Form in Deutschland einzigartige Verfahren der punktuellen stufenweisen Rückverformung entwickelt. Mit Hilfe des Einbaus von drei Zugankern, die sich gestalterisch dezent in den Raum einfügen, konnte so das Gewölbe schonend zurück verformt und die ursprüngliche Tragwirkung wiederhergestellt werden.
Durch die perfekte Koordination der unterschiedlichen Fachdisziplinen und ein umfangreiches Überwachungskonzept ermöglichte diese behutsame Vorgehensweise den größtmöglichen Erhalt des Originalzustandes.
Bauherr:
Freistaat Bayern und Kuratiekirchenstiftung »Maria vom Siege«
vertreten durch das
Staatliche Bauamt Augsburg
Verantwortliches Ingenieurbüro / Tragwerksplanung / Entwurfsverfasser:
Ingenieurbüro Wolfrum & Römer GmbH, München
Stefan Wolfrum / Clemens Römer
Gebietsreferentin:
Dr. Simone Hartmann
Weitere Projektbeteiligte:
Dr. Schroeter & Dr. Kneidl Beratende Ingenieure GmbH, Weiden
Amann GmbH, Weißenhorn
Jurybegründung
Die Evang.-Luth. St. Martinskirche in Memmingen wurde seit dem Jahr 1350 immer wieder umgebaut und erweitert. Die dabei erfolgten Eingriffe in das Tragwerk, wie der Einbau schwerer Mauerwerksgewölbe in den Seitenschiffen und einer deutlich schwereren Konstruktion des Gewölbes, führten zu massiven Verformungen und Schäden, sodass das Bauwerk grundlegend statisch instandgesetzt werden musste.
Die Schadensursachen konnten im Zuge der Voruntersuchungen nur durch einen interdisziplinären Ansatz unter besonderer Berücksichtigung der baugeschichtlichen Umbauten festgestellt werden. Die durchgeführten statischen Maßnahmen zur Sicherung der Gewölbe des Kircheninnenraumes sind nicht sichtbar und lassen auch den Dachraum nahezu unbeeinträchtigt.
Die gesamtheitliche Betrachtung von der umfangreichen Voranalyse über die statische Betrachtung als Gesamtmodell mündete in ein besonders wirtschaftliches und denkmalverträgliches Instandsetzungskonzept.
Bauherr:
Evang.-Luth. Kirche St. Martin, Memmingen
vertreten durch die Dekane Claudia und Christoph Schieder
Verantwortliches Ingenieurbüro / Tragwerksplanung:
Dr. Schütz Ingenieure Beratende Ingenieure im Bauwesen PartG mbB, Kempten
Prof. Dr.-Ing. habil. Karl G. Schütz / Jan Schubert
Architekturbüro / Objektplanung:
Architekturbüro Dipl.-Ing. Ingrid Stetter, Memmingen
Gebietsreferent:
Michael Habres
Weitere Projektbeteiligte:
Büro für Bauforschung Dr. Karin Uetz, Vogt
Historische König-Ludwig-Brücke in Kempten
Bayerischer Denkmalpflegepreis
Bronze - Öffentliche Bauwerke
Jurybegründung
Die zwischen 1847 und 1852 errichtete König-Ludwig-Brücke in Kempten ist ein historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst und zeichnet sich durch eine besonders hohe bautechnische Qualität aus.
2015 entschied die Stadt Kempten, die Brücke grundlegend für Fußgänger und Radfahrer zu sanieren. Dazu wurde die Brücke in drei Teilen mit Kränen ausgehoben, behutsam instandgesetzt und anschließend wieder eingesetzt.
Die außerordentlich geschickte Anordnung der neuen Verkleidung aus Lamellen reduziert die einwirkenden Windlasten. Dies wirkt sich nicht nur positiv auf den Witterungsschutz der Brücke aus, sondern macht auch die imposante historische Fachwerk-Tragkonstruktion erkennbar und erlebbar.
Durch die Wiederherstellung des baulich-konstruktiven Holzschutzes ergibt sich außerdem eine besonders hohe Dauerhaftigkeit der Konstruktion.
Bauherr:
Stadt Kempten – Amt für Tiefbau und Verkehr
vertreten durch Baudirektor Markus Wiedemann
Verantwortliches Ingenieurbüro / Tragwerksplanung:
Konstruktionsgruppe Bauen AG, Kempten
Dipl.-Ing. Rainer Böhme
Prof. Dr.-Ing. habil. Jörg Schänzlin
Dr.-Ing. Wolfgang Finckh
Gebietsreferent:
Dr. Alexander Ditsche
Weitere Projektbeteiligte:
bauart Konstruktions GmbH & Co. KG, München
Prof. Schermer & Weber Berat. Ing. Partnerschafts-gmbH, München
Josef Hebel GmbH & Co. KG, Memmingen
Holzbau Buhmann GmbH & Co. KG, Weitnau
Schmidbauer GmbH & Co. KG, Gräfelfing
Jurybegründung
Die 1928 erbaute Predigtstuhlbahn in Bad Reichenhall ist die älteste im Original erhaltene Großkabinenseilschwebebahn der Welt. Die steile Seilstrecke von 2.400 Meter Länge besteht aus drei Seilbahnstützen mit Höhen zwischen 9 und 32 Metern und einer maximalen Seil-Spannweite von fast 1.000 Metern.
Nachdem sich an den drei Stützen massive Schäden abzeichneten, wurde das herausragende Ingenieurbauwerk unter schwierigsten Bedingungen aufgrund seiner geographischen Lage und der Witterung optimal in Stand gesetzt. Da die Sanierungsarbeiten während des laufenden Betriebs durchgeführt werden mussten, erfolgte der Materialtransport ausschließlich über Helikoptertransporte.
Die weitestgehende Erhaltung der originalen Betonoberflächen zeichnet die Instandsetzung besonders aus. Durch den Verzicht auf Standardlösungen wurde ein Ergebnis erzielt, das nicht nur als vorbildlich denkmalverträglich bezeichnet werden kann, sondern sogar neue Maßstäbe setzt.
Bauherr:
Predigtstuhlbahn GmbH & Co KG, Bad Reichenhall
vertreten durch Max Aicher und Andreas Hallweger
Verantwortliches Ingenieurbüro / Tragwerksplanung:
Dr. Schütz Ingenieure Beratende Ingenieure im Bauwesen PartG mbB, Kempten
Prof. Dr.-Ing. habil. Karl G. Schütz / Dipl.-Ing. (FH) Christoph Hindelang
Gebietsreferent:
Dipl.-Rest. (Univ.) Mag. Paul Huber
Weitere Projektbeteiligte:
Fa. Schupp Beschichtungen, Stödten
Jurybegründung
Die „Alte Spinnerei“ in Kempten wurde um 1825 als Lagerhalle errichtet und seither mehrfach umgenutzt, erweitert und instandgesetzt. Um das über viele Jahre brach liegende Industriedenkmal vor dem fortschreitenden Verfall zu retten, wurde es unter Erhalt der einzigartigen Originalsubstanz zu modernen Büro-, Schul- und Arbeitsplätzen umgebaut.
Bei den durch die früheren Nutzungen überbeanspruchten und durch Fäulnis geschädigten Deckentragwerken hatten sich die Stützen um bis zu 30 cm gesenkt. Durch ein innovatives Rückverformungskonzept wurden diese wieder in die ursprüngliche Lage gebracht und die Nutzlast der Decken erhöht. So konnte nicht nur die Nutzbarkeit des Baudenkmals wiederhergestellt werden, sondern auch rund 4.000 m² Holzbalkendecken, der Dachstuhl und das Treppenhaus erhalten werden.
Durch diese situations- und schadensorientierte Instandsetzung unter Einbeziehung der vorangegangenen älteren Reparaturansätze ist eine äußerst denkmalverträgliche, wirtschaftliche und praxistaugliche Lösung entstanden.
Bauherr:
Sozialbau Kempten Wohnungs- und Städtebau GmbH
vertreten durch Herbert Singer und Stephan Bartzack
Verantwortliches Ingenieurbüro / Tragwerksplanung:
Dr. Schütz Ingenieure Beratende Ingenieure im Bauwesen PartG mbB, Kempten
Prof. Dr.-Ing. habil. Karl G. Schütz / Dipl.-Ing. (FH) Denis Galisch
Architekturbüro / Objektplanung:
Sozialbau Kempten Wohnungs- und Städtebau GmbH
Geschäftsführer Herbert Singer / Stephan Bartzack
Gebietsreferent:
Michael Habres
Weitere Projektbeteiligte:
BBI Ingenieure GmbH, Landshut
Rassek & Partner Brandschutzingenieure, Wuppertal
IB Mayr, Kempten
Jurybegründung
Das Gebäude Rainhausgasse 20 in Lindau, kurz „Rainhaus“ genannt, wurde im Jahr 1586 von Hans Furttenbach errichtet. Der denkmalgeschützte Renaissancebau war in einem bedenklichen statischen Zustand.
Die Dach- und Deckenkonstruktionen zeigten erhebliche Fäulnisschäden, die Fußböden waren durch Hausschwamm belastet und das Gebäude hatte sich aufgrund des unzureichenden Fundaments um 20 bis 30 cm ungleich gesetzt. Da sich die Wände nach außen neigten, kam es zu Rissbildungen.
Für die Instandsetzung wurde ein besonders mutiger Ansatz auf Basis der genauen Kenntnis der Geologie gewählt. Bei den allgemein schwierigen Untergrundverhältnissen mit Seetonschichten wurden teure und risikoreiche Eingriffe in den Baugrund vermieden.
Unter dem Gebäude wurde eine 30 cm dicke, elastisch gebettete Bodenplatte eingezogen und die Fundamentflächen der Außenwände vergrößert, wodurch keine Eingriffe in das tieferliegende Altfundament notwendig wurden. Es handelt sich damit um eine besonders denkmalverträgliche und wirtschaftliche Lösung.
Bauherr:
Lebenshilfe e. V., Kreisvereinigung Lindau, Lindenberg
vertreten durch Frank Reisinger
Verantwortliches Ingenieurbüro / Tragwerksplanung:
Dr. Schütz Ingenieure Beratende Ingenieure im Bauwesen PartGmbB, Kempten
Dr.-Ing. Bernhard Mohr
Architekturbüro / Objektplanung:
May Architekten, Lindau
Gebietsreferent:
Dr. Alexander Ditsche
Weitere Projektbeteiligte:
BBI Ingenieure GmbH, Landshut
Geo-Consult Allgäu GmbH, Blaichach (Bodengutachten)
Kulturerbe Rainhaus e. V., Wasserburg
Begleitend zur Preisverleihung ist eine umfangreiche Broschüre mit detaillierten Darstellungen der Projekte der Preisträger erschienen.
Die Broschüre ist kostenfrei als PDF erhältlich und kann auch in gedruckter Form bestellt werden.
Die Plakate der Preisträger-Projekte gibt es hier zum kostenfreien Download:
Plakat Preisträger im Überblick
Plakat - Gold Öffentliche Bauwerke - Burgkirche Oberwittelsbach
Plakat - Silber Öffentliche Bauwerke - Ev.-Luth. Kirche St. Martin
Plakat - Bronze Öffentliche Bauwerke - König-Ludwig-Brücke
Plakat - Gold Private Bauwerke - Predigtstuhlbahn Bad Reichenhall
Plakat - Silber Private Bauwerke - Alte Spinnerei
Plakat - Bronze Private Bauwerke - Gebäude Rainhausgasse
© Fotos Preisverleihung: Tobias Hase
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Pressemitteilung
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Pressemitteilung
Fotos (Cloud)
Artikel in der Bayerischen Staatszeitung vom 18.09.2020
Bayerische Ingenieurekammer-Bau
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Schloßschmidstraße 3
80639 München