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Gutachten unterstreicht Bedeutung der Losvergabe für den Mittelstand
Expertengutachten von Prof. Dr. rer. pol. Michael Eßig und Prof. Dr. iur. Martin Burgi zum Losgrundsatz im geplanten Vergabebeschleunigungsgesetz.
16.10.2025 - Berlin
In einem jetzt vorgelegten gemeinsamen Gutachten bestätigen Prof. Dr. Michael Eßig und Prof. Dr. Martin Burgi, dass die Bundesregierung im Sinne des Koalitionsvertrages handelt, wenn sie im Entwurf für ein Vergabebeschleunigungsgesetz grundsätzlich am Vorrang der Losvergabe bei der öffentlichen Auftragsvergabe festhält und öffentliche Aufträge grundsätzlich in kleinere, eigenständige Einzelaufträge aufgeteilt werden müssen, statt sie als einen großen Gesamtauftrag zu vergeben.
In ihrem Expertengutachten für die Bundesvereinigung Bau und
den ZDH bewerten Professor Dr. rer. pol. Michael Eßig (Universität der
Bundeswehr München) und Professor Dr. iur. Martin Burgi (Ludwigs-Maximilians-
Universität München) die Bedeutung des Erhalts des Primats der Fach- und
Teillosvergabe bei der öffentlichen Auftragsvergabe für Mittelstand und
Wettbewerb aus beschaffungswirtschaftlicher undvergaberechtlicher
Perspektive.
Kritik üben die Autoren des Gutachtens am Vorschlag des Bundesrats,
den Vorrang der Losvergabe aus „zeitlichen Gründen“ aufzuheben.
Eine solche
Regelung würde nicht nur die Beteiligung des Mittelstands schwächen, sondern
auch verfassungsrechtliche Risiken bergen. Der Vorrang der Losvergabe schafft
gleiche Zugangschancen und ist Ausdruck des Gleichheitsgrundsatzes.
Download
Gutachten von Prof. Dr. Eßig und Prof. Dr. Burgi
Losweise Vergabe stärkt Mittelstand
Die Bundesingenieurkammer und die Länderkammern setzen sich
seit langem engagiert dafür ein, die Beteiligungsmöglichkeiten von kleinen und
mittleren Unternehmen zu sichern und die Qualität öffentlicher Bauvorhaben
durch Vielfalt und Innovation zu fördern.
Dr.-Ing. Werner Weigl, 2. Vizepräsident der Bayerischen
Ingenieurekammer-Bau und Vorsitzender des Arbeitskreises „Vergabe“ der
Bundesingenieurkammer, sagt: „Das vorgelegte Gutachten bestätigt eindrucksvoll
den Stellenwert der losweisen Vergabe für die Stärkung des Mittelstands und die
Sicherung eines fairen Wettbewerbs bei öffentlichen Aufträgen. Es ist jetzt
entscheidend, dass der Gesetzesentwurf konsequent am Vorrang der Losvergabe
festhält, wie es auch im Koalitionsvertrag verankert ist. Die Ergebnisse des
Gutachtens unterstreichen, wie wichtig unser gemeinsames Engagement für ein
mittelstandsfreundliches Vergaberecht ist.“
Faire Chancen für KMU und Stärkung des Wettbewerbs
In einer mittelständisch geprägten Wirtschaft ist es von
zentraler Bedeutung und liegt zugleich auch im besonderen Interesse
öffentlicher Auftraggeber, dass KMU faire Chancen erhalten, sich um öffentliche
Aufträge bewerben zu können. Nur so wird ein Wettbewerb um öffentliche Aufträge
überhaupt ermöglicht und zugleich die spätere Leistungserbringung
sichergestellt.
Wirtschaftliche Bedeutung der losweisen Vergabe im Bauwesen
Anhand konkreter Daten verdeutlicht das jetzt vorgelegte
Gutachten den hohen Anteil von kleinen und mittleren Unternehmen und Betrieben
an den vergebenen Bauaufträgen. Damit sind KMU nicht nur das Rückgrat des
Bauwesens, sondern auch ein Garant für die Umsetzung öffentlicher Investitionen
und für die wirtschaftliche Stabilität ganzer Regionen.
Darüber hinaus belegen
die Zahlen, dass die losweise Vergabe die Zahl potenzieller Bieter erhöht und
dadurch den Preis- und Qualitätswettbewerb stärkt.
Mehr Resilienz und Qualität durch Beteiligung vieler Unternehmen
Die Studie unterstreicht zudem den Beitrag der losweisen
Vergabe zur Resilienz und Qualität öffentlicher Bauvorhaben: Wenn Aufträge auf
mehrere mittelständische Unternehmen und Betriebe verteilt werden, sinkt das
Risiko von Projektstillständen, etwa bei Insolvenz großer Generalunternehmer.
Gleichzeitig entstehen innovativere, spezialisierte Lösungen.
Risiken beim Wegfall des Vorrangs der Losvergabe
Kontraproduktiv für die Beteiligungsmöglichkeiten des
Mittelstands wäre hingegen der vom Bundesrat geforderte Wegfall des Vorrangs
der Losvergabe aus nicht näher spezifizierten „zeitlichen“ Gründen, was im
Übrigen ein Vorschlag ist, der exakt dem der Ampelregierung entspricht. Die
Gutachter warnen in diesem Zusammenhang vor verfassungsrechtlichen Risiken.
Der
Vorrang der Losvergabe schafft gleiche Zugangschancen zu öffentlichen Aufträgen
und ist damit Ausdruck des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 GG). Auch mit Blick
auf den Bestimmtheitsgrundsatz melden die Autoren des Gutachtens Bedenken an,
da die „zeitlichen Gründe“ hier ohne die begrenzenden Kriterien des
Regierungsentwurfs eingeführt werden sollen.
EU-Vorgaben: Losvergabe als zukünftiger Regelfall
Zudem fordert auch das Europäische Parlament in seiner
Entschließung für die anstehende Reform der EU-Vergaberichtlinien, die
Aufteilung öffentlicher Aufträge in Lose zukünftig zum Regelfall zu machen.
Eine Aufweichung des Vorrangs der Losvergabe im deutschen Regelwerk müsste dann
wegen entgegenstehender EU-Vorschriften bereits nach kurzer Zeit wieder
rückgängig gemacht werden.
Bedeutung für die Gesetzgebung und den Koalitionsvertrag
Jetzt kommt es darauf an, die zukünftigen
Beteiligungsmöglichkeiten des Mittelstands bei der Vergabe öffentlicher
Aufträge – wie im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehen – auch im
weiteren parlamentarischen Verfahren zu sichern. Alles andere wäre ein
eklatanter Verstoß gegen den Koalitionsvertrag, der den Grundsatz der
mittelstandsfreundlichen Vergabe betont.
Zentrale Ergebnisse des Gutachtens
- In einer mittelständisch geprägten
Wirtschaft, wie sie insbesondere im Bau- und Handwerksgewerbe vorliegt, ist
es von besonderer Bedeutung und für die öffentlichen Auftraggeber auch von
besonderem Interesse, dass sich kleine und mittlere Unternehmen (KMU) um
öffentliche Aufträge bewerben. § 97 Abs. 4 S. 1 GWB sieht deshalb vor,
mittelständische Interessen “bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich
zu berücksichtigen.” Das zentrale Instrument hierfür ist der Grundsatz der
Losvergabe nach § 97 Abs. 4 S. 2 GWB, wonach Leistungen in der Menge
aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet
(Fachlose) zu vergeben sind. Eine Durchbrechung ist aus wirtschaftlichen oder
technischen Gründen möglich (§ 97 Abs. 4 S. 3 GWB). Die Rechtsprechung hat der
Praxis hierzu klare Vorgaben gemacht. Gefordert wird eine Abwägung, nicht (wie
teilweise behauptet) die Geltendmachung objektiv zwingender Gründe. Zudem ist
ein Beurteilungsspielraum für die Auftraggeber anerkannt.
- Der von der Bundesregierung eingebrachte
Entwurf eines Vergabebeschleunigungsgesetzes will insbesondere die Zugangshürden
für den Mittelstand durch weitgehende Bürokratieentlastung senken. Dennoch
soll der Grundsatz der losweisen Vergabe partiell eingeschränkt werden, aber
“nur” zur Verwirklichung dringender Infrastrukturvorhaben im Zusammenhang mit
dem neuen Sondervermögen und bei Überschreitung eines hohen Auftragswertes.
Deutlich weiter möchte der Bundesrat gehen, dessen Stellungnahme eine
zusätzliche Durchbrechung des Losgrundsatzes aus nicht näher spezifizierten
“zeitlichen” Gründen für sämtliche Arten von Aufträgen fordert. Dies
entspricht exakt dem Regelungsvorschlag der Ampelregierung. Eine derart
weite Aufweichung des Losgrundsatzes wirkt kontraproduktiv, weil KMU und
Handwerksbetriebe dadurch faktisch von der Teilnahme am Markt ausgeschlossen
werden: Ihre “Befreiung” von Bürokratielasten besteht dann darin, dass sie
in Zukunft gar keine oder signifikant weniger öffentliche Aufträge bekämen.
- Aus beschaffungswirtschaftlicher
Perspektive spielen KMU eine wichtige Rolle bei der öffentlichen
Auftragsvergabe. Es ist ausdrücklich im Sinne der öffentlichen Auftraggeber,
die Rolle von KMU zu stärken – sowohl um den Wettbewerb überhaupt zu ermöglichen,
als auch, um die spätere Leistungserbringung sicherzustellen. Die
empirische Analyse auf Basis der Ausschreibungsdatenbank der Europäischen
Kommission (TED) liefert Befunde zur Wettbewerbsintensität und zeigt, dass die
durchschnittliche Zahl an Angeboten je Vergabe (als zentraler Indikator der
Wettbewerbsintensität) für den Bereich Bau in den Jahren 2017 bis 2023 bei 3,71
Angeboten liegt (Mittelwert), während der Durchschnitt über alle Branchen hinweg
2,96 beträgt. Der Anteil von KMU an der Anzahl vergebener Aufträge liegt
zwischen 2017 und 2023 zwischen 59% und 83%, ihr Anteil am Volumen der
vergebenen Aufträge zwischen 38% und 72%. Dies belegt die Schlüsselrolle von
KMU im Bausektor, die damit einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung
öffentlicher Investitionsprogramme leisten.
- Eine Auswertung qualitätsgesicherter
empirischer Studien zu den Einflussfaktoren zeigt, dass das Auftragsvolumen
zentral und entscheidend für die prinzipielle wie auch erfolgreiche
Beteiligung von KMU ist. Hier sind die Befunde eindeutig. Die Unterteilung
von Aufträgen in “passende” Volumina ermöglicht es KMU, überhaupt in
Wettbewerbsverfahren einzutreten, da sie die Ressourcen für großvolumige
Aufträge oftmals nicht bereitstellen können. Will der Gesetzgeber diesen
Wettbewerb erhalten und sogar ausbauen, was angesichts der empirischen Daten
geboten wäre, darf er auf Instrumente der Volumensteuerung nicht verzichten.
Die losweise Vergabe ist im Moment das einzige vergaberechtliche Instrument,
das ihm dazu zur Verfügung steht.
- Selbstverständlich bedarf es neben der
Regulierung insbesondere auch einer guten Implementierung. Die
Studienergebnisse zeigen, dass es einer sorgfältigen Gestaltung der Lose bedarf.
Die Gruppe der KMU “in sich” ist nicht homogen, d.h. die Volumenaufteilung
wirkt noch stärker bei kleinen und Kleinstunternehmen. Eine ausgewogene
Losbildung ist daher von zentraler Bedeutung für Vergabestellen, wollen sie
erfolgreich Aufträge am Lieferantenmarkt platzieren. Insofern sind die
Rahmenbedingungen in der Beschaffung dafür zu schaffen, in den jeweiligen
Teilmärkten (namentlich der Baubranche) angemessen tätig werden zu können. Will
man die volle Wirkung eines “guten” Wettbewerbs erreichen, sind flankierende
Maßnahmen erforderlich. Die losweise Vergabe stellt einen wichtigen und
relevanten, jedoch nicht allein ausschlaggebenden Einflussfaktor auf die
Beteiligung von KMU an öffentlichen Vergaben dar.
- Aus vergaberechtlicher Perspektive würde
der in § 97 Abs. 1 S. 1 GWB als erstes Prinzip des Vergaberechts normierte
Wettbewerbsgrundsatz signifikant geschwächt. Eine Aufweichung des
Losgrundsatzes geriete aber auch mit dem vergaberechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 2 GWB (in Spezifizierung des Art. 3
Abs.1 GG) in Konflikt. Denn durch die Entscheidung für eine Losvergabe
werden überhaupt erst gleiche Wettbewerbsbedingungen eröffnet. Auf dem
Spiel steht überdies die Verantwortung der öffentlichen Aufgabenträger für die
Sicherstellung einer erfolgreichen und rechtskonformen Erfüllung der jeweiligen
Sachaufgaben im Interesse der Bürgerinnen und Bürger (Brückensanierung,
Kita-Erweiterung, Geothermienutzung etc.). Sie besteht vor und nach der
Zuschlagserteilung und beinhaltet eine möglichst rasche, dabei aber auch
qualitativ hochwertige und resiliente Realisierung des jeweiligen Vorhabens.
- Jede Rechtsänderung bei der Losvergabe würde
in der Praxis zunächst für Rechtsunsicherheit sorgen und Nachprüfungsverfahren
auslösen, dies in Relation zur Bestimmtheit des jeweiligen Regelungsvorschlags.
Während der Regierungsentwurf die Anforderungen des Bestimmtheitsgebots wahrt,
indem er den zeitlichen Aspekt an drei sachliche und eindeutig definierte
Kriterien knüpft, begegnet der Vorschlag des Bundesrates insoweit erheblichen
Bedenken.
- Am 9. September 2025 hat das Europäische
Parlament mit großer Mehrheit eine Entschließung zur Reform der
Vergaberichtlinien angenommen, auf deren Grundlage die Europäische
Kommission bis Ende 2026 einen Verordnungs- oder Richtlinienentwurf vorlegen
will. Einer der Kerninhalte der Entschließung besteht in der Forderung,
die “durchgehende Aufteilung von Aufträgen in kleinere Lose” zum Regelfall
zu erheben. Spätestens ab dem Zeitpunkt der Verabschiedung des europäischen
Reformpakets würde eine über die unionsrechtlich zulässigen
Durchbrechungsgründe hinausgehende Aufweichung des Losgrundsatzes daher
unionsrechtswidrig. Bis dahin wäre die Anwendungspraxis in kurzer Zeit mit zwei
Regimewechseln konfrontiert.
Download
Gutachten von Prof. Dr. Eßig und Prof. Dr. Burgi
Quellen: Bundesvereinigung Bauwirtschaft (BVB), Zentralverband des
Deutschen Handwerks e. V. (ZDH), Bayerische Ingenieurekammer-Bau, Fotos:
orinocoArt / Adobe Stock, Kadmy / Adobe Stock, Tobias Hase / BayIka-Bau, BVB/ZDH
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